„Weicher“ Standortfaktor Golf

Golf zieht nicht nur Sportler an, sondern auch Investoren und Talente. Die Wirtschaft Oberbayerns als Deutschlands Golfregion Nummer eines wird deshalb nach Ansicht von Experten in den nächsten Jahren überdurchschnittlich vom Golf-Boom profitieren.

Auf dem Werbeprospekt für das neue Gewerbegebiet „Günding“ der Gemeinde Bergkirchen im Landkreis Dachau schlägt gerade ein Golfer mit wuchtigem Schwung den Ball in Richtung Fahne. „Das war ein Volltreffer“, sagt Bürgermeister Simon Landmann. Der Lokalpolitiker ist zwar Nichtgolfer, aber er weiß um den Wert des weißen Sports: „Ohne Golfplatz hast du bei bestimmten Firmen einfach keine Chance als Standort.“

Dass die Nachbarn in Bergkirchen mit seinen Fairway und Grüns bei potenziellen Ansiedlerunternehmen werben, findet Geschäftsführer Thomas Heitmeier vom Münchner Golfzentrum Eschenried „absolut in Ordnung. Golf zieht eben.“

Dass Golf in Oberbayern ein nicht unerheblicher Wirtschaftsfaktor ist, pfeifen längst die Spatzen von den Dächern: Immerhin schwingen in Oberbayern über 60.000 Menschen mehr oder weniger häufig den Golfschläger. Mit 1,45 Prozent liegt der Anteil der registrierten Golfer an der Gesamtbevölkerung laut Statistik des Deutschen Golfverbands (DGV) um mehr als das Doppelte über dem Bundesdurchschnitt (0,6%). Und in den absoluten Golf-Hochburgen Oberbayerns wie den Landkreisen Bad Tölz-Wolfratshausen und Starnberg sind es sogar über mehr als drei Prozent. Auch als Tourismus-Magnet ist der Golfsport ein anerkannter Wachstumsmotor. „Die touristische Anziehungskraft von Golf ist messbar“, behauptet Günter Reiter vom in München erscheinenden Branchenreport „Golf Inside“. Jeder dritte Golfer in Deutschland hat nach seiner Erkenntnis schon mindestens einmal in seinem Leben Golf-Urlaub in Oberbayern gemacht.

Weniger offensichtlich ist jedoch der „weiche“ Standortfaktor Golf – ein Phänomen, das nicht nur in Bayern beobachtet wird. „Golfplätze im Speckgürtel als Standortfaktor“, titelte die „Welt“ unlängst über die Golfplätze rund um Berlin. Und das „Golf-Mekka“ Bad Griesbach südwestlich von Passau lebt nach Ansicht von Egon Stengl, Chefredakteur des Online-Magazins „Infocomma Golf Zeitung“, inzwischen weitgehend von seinen mit insgesamt zehn Golfplätzen, die der Unternehmer Alois Hartl in den letzten 25 Jahren rund um die 8.500 Einwohner zählende Marktgemeinde baute. Die meisten von ihnen arbeiten in dem guten Dutzend Luxushotels sowie in der Therme des 1972 als Kurbad anerkannten Ortes. Stengel: „Ohne Golf hätte es diese beispiellose Ansiedlung von gastronomischen Unternehmen in Bad Griesbach mit Sicherheit niemals gegeben.

Auch in Oberbayern finden sich Beispiele dafür, dass Golf immer wichtiger wird, wenn es um das Anwerben von Investoren geht. „Ja, bei der Entscheidung für Ismaning als Standort hat auch die Nachbarschaft zum Golfclub Eichenried eine Rolle gespielt“, gibt Georg Magg, Vorstandsvorsitzender der auf IT-Sicherheit spezialisierten Integralis AG zu. Magg und sein Führungsteam sind fast durchweg begeisterte Anhänger des aus Schottland stammenden uralten Ballsports. Was für ihn aber noch mehr zählt: „Wir suchen ständig neue hoch qualifizierte Mitarbeiter, und die Ansprüche sind da ziemlich hoch. Der eine oder andere lässt uns schon mal spüren, dass ein Golfplatz in der Nähe für sie ein echtes Entscheidungskriterium ist.“

Das bestätigt auch der Philip-A. Artopé. Der Geschäftsführer des Münchner Atlas-Verlag, in dem das Magazin „Golf-Journal“ erscheint, ist sicher: „Auch wenn das vielleicht nicht im Mittelpunkt steht, kann es den letzten Anstoß für die Entscheidung eines Unternehmers oder eines Bewerbers sein.“ Das gilt seiner Meinung nach besonders für Firmen aus Zukunftsbranchen wie der EDV oder Biotechnik sowie bei international aufgestellten Unternehmen. „Im westlichen Ausland ist Golf sehr viel weiter verbreitet als bei uns. Für einen Deutschen mag das Vorhandensein eines Golfplatzes ein zusätzlicher Anreiz bei der Arbeitsplatzwahl sein. Für einen Amerikaner, einen Briten oder einen Schweden dagegen wäre das Fehlen eines Golfplatzes in vielen Fällen wahrscheinlich ein KO-Kriterium.“

Auch unter deutschen Bewerbern steigt ab einer gewissen Einkommensebene die Zahl der Golfer an, wie Peter Hübner bestätigt. Er ist Coautor der Studie „Golfmarkt 2005“, die der Deutsche Golfverband (DGV) zusammen mit der Hamburger Forschungsteam Golf  & Tourism Consulting (GTC) in Lüneburg herausgegeben hat. Danach ist der Anteil der Golfer mit einem Haushaltsnettoeinkommen von mehr als 2500 Euro im Monat fast mit 54,3% fast doppelt so hoch wie im Bundesdurchschnitt. Und obwohl immer mehr junge Menschen zum Golfsport dazu stoßen, nimmt der Anteil der Über-50jährigen unter den Golfern sogar noch zu: „Die allgemeine demografische Entwicklung in Deutschland frisst den Verjüngungseffekt durch die Popularisierung des Golfsports wieder auf“, wie Hübner erläutert.

Da Golfer auch überdurchschnittlich glücklich verheiratet sind (67,3% gegenüber nur 56,6% der Restbevölkerung) spielen nach Ansicht Hübners auch andere „weiche“ Faktoren wie intakte Umwelt und kulturelle Angebote für sie eine größere Rolle als für andere. Menschen in ihrem Alter neigen auch dazu, sesshaft zu sein oder sich einen Ort zu suchen, an dem sie sich später auch im Alter wohl fühlen sollen. „Bayern mit seiner weißblauen Bodenständigkeit hat da natürlich bei Golfern besonders gute Karten“, glaubt der Norddeutsche Hübner. Sehr gut sei das an den steigenden Grundstückspreisen jener Gemeinden abzulesen, sobald in der Nähe ein Golfplatz aufmacht. Hübner: „Die Wohnqualität wird natürlich mit jeder neuen Freizeitanlage gefördert, aber ein Golfplatz bringt in der Regel bei den Immobilien einen regelrechten Schub.“

Dass gerade Gemeinden in Oberbayern mit seiner hohen Dichte an Hightech-Unternehmen überproportional vom Golfboom profitieren kann, davon ist auch Oskar Brunnthaler, Chefredakteur der in München erscheinenden Fachzeitschrift “Golf TIME“ überzeugt: „Das ist auch eine Imagefrage. Selbst wenn ein Unternehmer in einer ‚sauberen’ Branche selber kein Golf spielt, so möchte er sich mit seiner Firma doch lieber dort ansiedeln, wo es einen Golfplatz in der Nähe gibt als, sagen wir, ein Braunkohlebergwerk.“

Dass Oberbayern gute Karten hat wenn es darum geht, sich als Golfland bei Firmen und Bewerbern in Szene zu setzen, glaubt auch Jens Huwald von der Bayern Tourismus Marketing GmbH in München. „Golf ist eine unserer starken Produktlinien“, bestätigt er. Schließlich weist keine Region Deutschlands eine derartige Golfplatzdichte auf wie der Regierungsbezirk: Insgesamt 67 Anlagen, davon in den Landkreisen Bad Tölz-Wolfratshausen, Traunstein und Rosenheim jeweils sechs, in Starnberg, Ebersberg, Weilheim und im Landkreis München je vier.

Und es sollen noch mehr werden. In Valley zwischen München und Tegernsee baut der Biotechnologieunternehmer Michael Weichselgartner (MWG Biotech), der seit sechs Jahren mit seiner Frau Sandra die Golfanlage Pfaffing München-Ost betreibt, den mit über 7.200 Metern längsten Turnierplatz der Welt. Für die 27 Loch-Anlage, das zu 100% aus Eigenmitteln finanziert wird, müssen über 700.000 Kubikmeter Erde bewegt werden, was zu Unmut in der Nachbarschaft geführt hat. Doch nach Fertigstellung erwartet Weichselgartner einen Stimmungsumschwung. Immerhin hat er ehrgeizige Pläne: Nicht Geringeres als der Ryder Cup, das Vorzeigeturnier zwischen US- und europäischen Profis, soll irgendwann nach 2018 in Valley stattfinden. Weichselgartner ist sicher: „Sollte Deutschland den  Cup bekommen, wird es schwer sein, uns zu übergehen.“

Damit würde der Großraum München endgültig in die Weltliga des Golfsports aufsteigen. Heute schon treffen sich alljährlich einige der besten Profis in Eichenried zum „BMW Open“, das allerdings von seiner internationalen Bedeutung her in scharfer Konkurrenz steht zum „SAP Open“ in Walldorf und dem von Bernhard Langer  in Pulheim bei Köln veranstalteten „Mercedes German Masters“. Mit dem Ausrichten des Ryder Cup könnte sich Oberbayern seinen Ruf als Golfhochburg auch international sichern.

„Für Oberbayern wäre das fast so wie die Fußball-WM 2006 für Deutschland“, schwärmt Golfjournalist Egon Stengel. Wobei seine Golf-Begeisterung nicht unbedingt von jedermann geteilt wird. So hat noch bis vor kurzem der vom Planungsausschuss des Regionalen Planungsverbands München (RPV) aufgestellte Regionalplan den Bau weiterer Golfplätze im Süden Münchens abgelehnt, da es dort angeblich bereits eine hohe Platzdichte hätte. „Diese Empfehlung ist allerdings mittlerweile zurückgenommen worden“, bestätigte auf Anfrage der zuständige Regierungsbeauftragte beim RVP. Stengel erleichtert: „Damit wäre sonst ein wesentlicher Wachstumsimpuls für die Region im Keim erstickt worden.“

Überhaupt scheint sich das Image von Golf als Elite-Sportart in den vergangenen Jahren deutlich verbessert zu haben. „Golf ist Volkssport geworden“, behauptet Helmut Freiherr von Fircks vom Präsidium des Bayerischen Golfverbands. Das sei zum einen auf das verbesserte Angebot, fallende Preise für Mitgliedschaften und Spielberechtigungen, aber auch auf die intensive Jugendarbeit von Clubs und Verband zurückzuführen.

Womöglich haben aber auch die golffreundlichen Unternehmen in Oberbayern das Ihre dazu beigetragen. Thomas Heidmeier aus Eschenried will jedenfalls bereits seit etwa zwei Jahren beobachtet haben, dass sich Golf und Wirtschaft immer näher kommen: „Die Zahl der  Firmen, die eigene Turniere veranstalten, hat in den letzten zwei Jahren stark zugenommen.“ Auffällig sei, dass dabei nicht nur Golfspieler eingebunden werden. „Man lädt Kunden oder die ganze Belegschaft ein, macht vorher ein paar Präsentationen oder eine Schulung. Am Nachmittag geht es dann für die Golfer auf die Runde, während die Nichtgolfer einen Schnupperkurs machen oder ein Putt-Turnier veranstalten. Am Abend gibt es dann eben zwei Siegerehrungen: einen für die Golfer und einen für die Nichtgolfer. Das hebt die Laune und erzeugt bei allen Teilnehmern ein echtes Wir-Gefühl, das im Berufsalltag dann lange nach hält.“

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