„Tweeto ergo sum“ – Trump und die digitale Seinsfrage

Es wäre witzig, wenn es nicht so traurig wäre: Donald Trump, der ranghöchste Troll des Internets, will Twitter & Co. zwingen, gegen Leute vorzugehen, die Lügen, Hassposts und Morddrohungen online verbreiten. Dazu hat er per Dekret den Abschnitt 230 des so genannten Communications Decency Act aufgehoben, der die Betreiber von Sozialen Medien vom Haftungsrisiko für die Inhalte anderer schützt. Das bedeutet im Klartext: Die Opfer können Jack Dorsey und Mark Zuckerberg jetzt vor den Kadi ziehen, wenn sie beispielsweise Trumps übelriechende geistige Absonderungen teilen.

Hä?

Ich dachte im Gegenteil, Trump will doch weiterlügen dürfen. Wenn Jack und Mark ihm in Zukunft noch genauer auf die Finger schauen müssen, bleibt ihnen doch am Ende nur eine logische Konsequenz, nämlich Trump den Stecker rauszuziehen und ihn damit mundtot zu machen.

In den New York Times stellt Kolumnistin Maureen Dowd die digitale Seinsfrage: „Gibt es den @realDonaldTrump überhaupt, wenn er nicht auf Twitter existiert? Ich tweete, also bin ich. Dorsey trifft Descartes“.

Und tatsächlich wäre ja nur ein Mausklick nötig, um den bekanntesten Vertreter der Dunklen Triade ein für alle Mal unschädlich zu machen. Und Dorsey ist bekanntlich ein Gutmensch, trinkt jeden Morgen ein Glas mit Himalayasalz, das er in Wasser und Zitronensaft auflöst, sucht per Meditation den Weg zu seinem inneren Tweet und tut auch sonst gerne einen auf Askese und Ethik. Na gut, er verdient damit so ganz nebenbei sehr viel Geld, aber trotzdem ist er ein Mann mit einer Mission.

Im Gegensatz leider zu Mark Zuckerberg, der keinen Grund sieht, wie er sagt, sich zum Schiedsrichter der Wahrheit anderer Leute aufzuplustern. Der gute Jack hat wenigstens schon genug Rückgrat bewiesen, um ein paar der schlimmsten Digitalrülpser Trumps mit Warnetiketten zu versehen und einen Link zu Faktenchecker-Websites davorzuschalten. Nur ganz sperren, das will er den Twitter Account von Trump offenbar nicht – noch nicht. Aber lass die Eskalation weitergehen, und Trump könnte eines Tages seinen letzten Tweet gemacht haben.

Was macht der arme Kerl dann nachts?

Trump ist sich offenbar nicht klar, dass er gerade selbst den Druck auf Dorsey erhöht, das digitale Beatmungsgerät abzuschalten, das ihn am Leben hält. Ohne Twitter würde sich Trump doch keinen Tag lang in den Beliebtheitscharts der  abgedrehtesten Amerikaner halten.

Der Medientheortiker Alexander Galloway, Autor von The Interface Effect, findet es gut, dass der Communications Decency Act verschwinden soll. Trump tue das richtige, sagt er, nur leider aus den falschen Gründen. Hoffentlich sagt dem das niemand. Aber selbst wenn: Er hört ja bekanntlich nie zu.

„Der Präsident möchte auf Twitter Dinge sagen, die er nicht sagen darf, wenn er Twitter unter einem solchen Kuratell stellt“, schreibt Dowd. In gewisser Weise kämpfe Trump gegen sein eigenes Gehirn. Wenn Twitter für das, was er schreibt, verklagt werden kann, müssten dann nicht Tausende seiner eigenen Tweets umgehend gelöscht werden?

Nancy Pelosi, die demokratische Sprecherin des Repräsentantenhauses, ist neulich mit den großen Internetkonzernen streng ins Gericht gegangen. „Ihr Geschäftsmodell ist es, Geld auf Kosten der Wahrheit und der Fakten zu verdienen,“ sagte sie in einem Interview mit C-Span. Hoffentlich hört wenigsten Jack Dorsey zu.

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