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„Das Internet ist ein Spiegelbild der richtigen Welt, nur schöner." „Das Internet ist ein virtuelles Dorf, das Menschen auf der ganzen Welt verbindet und vereint." „Das Internet ist die am schnellsten wachsende Struktur, die je von Menschenhand geschaffen wurde." Recht haben sie alle. Und doch nicht: Das Internet ist nämlich für jeden, der sich einwählt, etwas anderes. Der eine will Spaß und Freizeitwert. Er wird genauso fündig wie derjenige, der auf der ernsthaften Suche ist nach wissenschaftlich verwertbaren Informationen oder derjenige, der auf dem Internet einen Online-Laden eröffnen möchte. Egal, was einer auf dem Internet sucht, finden wird er in jedem Fall eines: Menschen. Viele Menschen aus aller Herren Länder, Menschen mit ganz unterschiedlicher Vorbildung und unterschiedlichen Vorlieben. Er wird sich, ob er will oder nicht, mit diesen Leuten auseinandersetzen müssen. Und das ist es, was das Internet für die meisten Anwender so ungeheuer spannend macht. Wer sich den typischen Netler als einen introvertierten Computerspinner vorstellt, der daheim in seiner Stube sitzt und stundenlang stupide in den Rechner hackt, der irrt sich gewaltig. Auf dem Internet, da ist was los: Da wird diskutiert und gestritten, gescherzt und gelacht; da helfen sich plötzlich wildfremde Menschen mit viel Geduld und Mühe gegenseitig und verlangen dafür nichts als ein Dankeschön – und die Bereitschaft, selbst zu helfen. Auf dem Internet entstehen Freundschaften, die oft inniger und wertvoller sind als mit Menschen denen man Tag für Tag begegnet. Es gibt Leute, die sich auf dem Internet verlieben in jemanden, den sie nie gesehen haben. Und für viele von ihnen (nicht für alle) ist es das Schönste, wenn sie sich dann, oft erst nach Jahren, das erste Mal sehen. Oder wenn sie, im Jargon des Net zu bleiben, in die „F2F phase" eintreten: „face to face", sich also zum erstenmal von Angesicht zu Angesicht gegenüberstehen. Lewis Caroll-Fans werden mit der Beschreibung des Internet durch Jaron Larnier, dem „Erfinder" der Virtual Reality, etwas anfangen können: Es ist ein Land hinter den Spiegeln: ein leicht verzerrtes Ebenbild der wirklichen Welt. Der Begriff „Cyberspace", der in letzter Zeit in Zusammen-hang mit dem Internet auch bei uns durch die Gazetten geistert, ist eine Wortschöpfung des Science Fiction-Autors William Gibson. In seinem 1984 erschienenen Roman „Neuromancer" schreibt er über die Bewohner einer künftigen, von einem riesigen Computernetz überzogenen Welt: „Sie hatten begonnen zu glauben, daß es eine echte Welt hinter dem Bildschirm gab. Ein Ort, den du zwar nicht sehen kannst, der aber trotzdem da ist." Ein anderer früher Cybernaut, der Rocksänger John Perry Barlow, hat eine noch treffendere Definition von Cyber-space geliefert: „Der Ort, an dem du dich befindest, während du telefonierst." Für Philip Elmer-DeWitt, der im Frühjahr 1995 in einer Bei-lage der US-Zeitschrift „Time" über Perspektiven der On-line-Kommunikation schrieb, ging das simple Bild vom Telefonnetz aber nicht weit genug. „Cyberspace im Sinne von einen Raum mit anderen teilen ist ein Erlebnis und kein Netz von Drähten. Es geht um Menschen, die das tun, wozu sie genetisch vorprogrammiert sind, nämlich miteinander zu kommunizieren. ... Es ist wie Platos Ebene ideeller Gestalten, ein metaphorischer Raum, eine virtuelle Realität. Aber es ist deswegen nicht weniger real." Cyberspace hat insofern hauptsächlich mit Kommunalge-fühl zu tun. Gruppendynamische Prozesse laufen im Internet ab, von denen die Soziologen bislang kaum eine Ah-nung haben. Statt in die Vereinsamung treibt die Technologie die Menschen aufeinander zu. In E-Mails feiert die verloren geglaubte Kunst des Briefeschreibens fröhliche Auferstehung. In Newsgroups und Chat-Foren treffen Gleichgesinnte aufeinander, lernen sich kennen, reden, diskutieren, streiten, schimpfen. Das ist soziale Interaktion in einem Ausmaß und einer Qualität, die weit über das oft einfältige Kneipengespräch über Fußball oder über die einsilbige Kommunikation von Couchkartoffeln über das kümmerliche TV-Programm hinausgeht. Und eines noch: Im Internet sind alle gleich. Gerade die vielbeklagte Anonymität des Computerbenützers ist für manche der eigentliche Reiz. Hier gibt es nicht groß und klein, arm und reich, hübsch und häßlich, krank und gesund. Man(n) kann frau sein oder umgekehrt, nach Belieben. Der Ängstliche projiziert sich als Draufgänger. Der Scheue spielt den Salonlöwen. „If you can imagine it, you can do it" („wenn du's dir vorstellen kannst, dann kannst du es auch tun") sagt der Zukunftsforscher Paul Saffo. Er meint aber nicht irgendein fernes Morgen, sondern hier und heute auf dem Internet. Dabei ist es leicht zu übersehen, daß sich das Internet genauso schnell oder gar schneller verändert als die wirkliche Welt. Gerade die alten Internet-Haudegen wollen das oft auch gar nicht wahrhaben. Die große Freiheit im Net, als Regeln verpönt und Chaos erwünscht waren, macht langsam aber sicher geordneten Verhältnissen Platz. Schon heute nutzen vermutlich mehr Geschäftsleute als Studenten das Net. Sie werden angezogen von Dingen wie E-Mail, die viel schneller und effizienter ist als Fax. Andere suchen Informationen über Branchen, Kunden und Konkurrenten. Mancher spart sich den Börsenmakler und kauft seine Aktien direkt an der Wall Street. Andere haben gemerkt, daß man auf dem Internet telefonieren kann – und dabei Tausende von Mark für Ferngespräche spart. Vor allem aber hat sich langsam herumgesprochen, daß das Internet ein riesiger Marktplatz geworden ist für Ideen und Infos, Waren und Dienstleistungen aller Art. „Kommerzialisierung" heißt das Stichwort der Stunde. Dem einen signalisiert sie Chancen, dem anderen ist sie ein Greuel. Aber wie dem auch sei: Die Uhr läßt sich auch im Cyber-space nicht zurückdrehen. Und wie in der Mensch-zu-Mensch-Kommunikation gilt auch hier der Grundsatz von der Chancengleichheit. Ein kleiner Einzelhändler kann unter Umständen ebenso gute Geschäfte machen wie ein riesiges Versandhaus. Vielleicht sogar bessere, denn für ihn wiegen Vorteile wie überregionale Verbreitung und unbegrenzte Ladenöffnungszeit vermutlich schwerer. Das Internet bietet jedem etwas – und ich hoffe, daß man von diesem Buch das Gleiche sagen kann. Es ist nicht für den Technikfreak geschrieben, sondern für den interessierten Anwender. Es soll ein bißchen von der Faszination und der Freude widerspiegeln, die ich selbst immer wieder erlebe, wenn ich meinen Computer anschalte und mich in die un-endlichen Weiten des Cyberspace einwähle. Und wer weiß: Vielleicht laufen wir uns mal über den Weg dort in jenem geheimnisvollen Land hinter dem Bildschirm.
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