Das goldene Gras von Augusta

Das Gras von Augusta macht ein ganz besonderes Geräusch, wenn man darauf läuft. Sam Snead, der 2002 verstorbene wahrscheinlich beste Golfer aller Zeiten (egal was man über Tiger Woods sagt), hat den Klang des Rasens beim Masters einmal so beschrieben: „Es ist so, als würdest du über Kartoffelchips laufen.“

Die Grüns von Augusta sind schnell, fast schon mörderisch schnell. Arnold Palmer, der hier 50 mal in seinem Leben antrat und viermal gewann, sagte einmal vom neunten Grün in Augusta, das sei so, als ob du auf einer Marmortreppe den Ball mit dem Putter so schlagen müsstest, dass er auf halbem Weg liegen bleibt.

Die Fairways von Augusta sehen aus wie ein grüner Teppich, nur glatter und sauberer. Eine der vielen Legenden von Augusta erzählt von einem Gast, der mit dem Greenkeeper um 100 Dollar wettete, dass er irgendwo ein Unkraut finden würde. Er kam nach einer Stunde mit leeren Händen zurück und bezahlte wortlos.

Als Bobby Jones, selbst eine Golf-Legende, der einzige Golfer, der je den Grand Slam schaffte (Siege bei allen vier Majors im selben Jahr), 1930 nach Augusta kam, war er begeistert. „Perfekt!“, soll er ausgerufen haben: „Stell dir nur vor, dieses Fleckchen Erde liegt hier die ganze Zeit schon rum und wartet nur darauf, dass jemand darauf einen Golfplatz baut.“

Ursprünglich war das Gelände eine Indigo-Plantage, von einem reichen Farmer im 18. Jahrhundert angelegt, um den purpurnen Farbstoff zu gewinnen, der damals Gramm für Gramm fast genauso viel kostete wie Gold. Im amerikanischen Bürgerkrieg (1861-1865) zogen die Truppen der Nordstaaten plündernd durch Georgia und hinterließen nur ausgebrannte Ruinen. Der reiche belgische Baron und Hobbygärtner Louis Mathieu Edouard Berckmans richtete hier eine Blumenzucht ein, die später als „Fruitlands Nurseries“ in eine Firma umgewandelt wurde und die bald in der ganzen Gegend berühmt war für ihre Azaleen, Kamelien und Magnolien. 1918 gingen die Betreiber jedoch pleite, und die Anlage verfiel, bis Jones kam und daraus den besten Golfplatz der Welt machte.

Die Blumen sind geblieben, und sie geben den Löchern auf der Anlage des Augusta National Golf Club auch ihre Namen: „Gelber Jasmine“ (Loch acht), „Carolina Cherry“ (Loch neun), „Camelia“ (Loch zehn). Loch drei ist benannt nach der „Duftblüte“ (Osmathus frangrans), Loch zwölf nach der „Golden Bell“, die bei uns auf den Namen Forsythie hört.

„Augusta ist nicht nur der anspruchsvollste, es ist auch der gepflegteste Golfplatz der Welt,“ sagt Jamie Lillywhite, Botaniker und Golf-Redakteur des britischen Fernsehsenders BBC. Er durfte einmal mit seinem Kamerateam einen seltenen Blick hinter die Kulissen von Augusta werfen und war begeistert: „Es ist hier wirklich alles perfekt, das sanft gewellte Grün der Fairways, die bunten Farbtupfer der Blumen, die majestätischen Tannen, das Blau der Teiche.“

Manches ist allerdings zu perfekt, um wahr zu sein. So hat Lillywhite schon erlebt, wie die Landschaftspfleger vor dem Turnier im April blauen Farbstoff in die Teiche und Tümpel kippen. Allerdings enthält die Mixtur auch Mittel gegen übermäßigen Algenbewuchs, was ihnen die Möglichkeit gibt, die Farb-Korrektur als Umweltmaßnahme hinzustellen.

Dass allerdings auch an anderer Stelle Mutter Natur kräftig nachgeholfen wird, ist in Augusta ein offenes Geheimnis. Beispielsweise dann, wenn in einem zu milden Frühling die Azaleen vorzeitig zu blühen drohen – eine mittlere Katastrophe für die Fernsehkameras, die Bilder von roter Blütenpracht in alle Welt ausstrahlen sollen. Für diesen Fall haben die Gärtner von Augusta vorgesorgt – da werden Hunderttausende von Eiswürfeln um die Wurzeln der Büsche gepackt, was die Wachstumssignale im Innern der Pflanzen stoppt.

Nichts darf dem Zufall überlassen werden, wenn es in Augusta um die begehrten grünen Jacken geht, die der Turniersieger seit 1949 als sichtbares Zeichen seiner Meisterwürde verliehen wird. Dafür sorgt schon Brad Owen, der als „Superintendant“ Chef von mehr als 40 Greenkeepern und 20 Gärtnern ist, die zum permanenten Stab des Masters-Platzes gehören. In den Monaten vor dem großen Turnier arbeiten sie im Wortsinn rund um die Uhr, doch kein Fernsehzuschauer sieht wie viel Schweiß und Mühe sie in das grüne Gold von Augusta investieren. Sie besteht übrigens hauptsächlich aus robustem Bentgrass, das einige Monate vor dem Turnier mit einer supersteifen Rasensorte, dem so genannten Ryegrass nachgesät wird, damit die Fairways rechtzeitig zum großen Event in Hochglanz erstrahlen können.

Owen herrscht über die vermutlich aufwändigste Rasenpflegeanstalt der Welt, ein supermoderner Zweckbau mit eigenem Labor für Bodenanalysen, einer eigenen Wetterstation sowie Konferenz- und Trainingsräume, in denen Jahr für Jahr rund 100 Praktikanten, die meisten von ihnen selbst erfahrene Greenkeeper aus aller Welt, in die letzten Geheimnisse der standesgemäßen Rasenpflege eingeweiht werden. Pünktlich zum Turnier rücken viele von ihnen an, um als Freiwillige das platzeigene Profi-Team in ihrer schwersten Stunde zu unterstützen.

„Wenn einer sagen kann, er hat mal in Augusta gearbeitet, dann bekommt er überall auf der Welt anstandslos einen Job“, glaubt Wendy Brien, die als Azubi Gelegenheit bekam, als Praktikantin in Augusta zu arbeiten und jedes Jahr im April wieder dahin zurückkehrt. Ihr Arbeitstag hat zehn bis zwölf Stunden, aber das ist ihr egal: „Ich möchte hier keine einzige Sekunde vermissen!“

Nur das Allerheiligste blieb ihr bislang stets verwehrt: die Greens. Jedes der 18 glattgeschorenen Puttflächen hat einen eigenen Greenkeeper, der ausschließlich dafür verantwortlich ist, dass kein Laubblatt, keine Tannennadel, kein Wurmloch oder Fußabdruck die Bahn der weißen Kugel auch nur einen Millimeter von dem Weg ablenkt, den die Golf-Götter und das Können des Spielers ihm vorbestimmt haben.

Und am Ende wartet das vielleicht schönste Geräusch, dass ein Golferohr vernehmen kann: Das satte Plumpsen des Balls, wenn es ins Loch fällt – und im gleichen Augenblick der donnernde Applaus der Menge, der die atemlose Stille sprengt. Das ist die Musik, die Jahr für Jahr in Augusta den einzigen, den wahren Master des Golfsports empfängt.

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