Der Einkauf treibt Industrie 4.0

Die Zeiten sind vorbei!

Die Zeiten sind vorbei!

Die Angst vor der Digitalen Transformation ist in vielen Unternehmensabteilungen weit verbreitet, und das durchaus zu recht. Nur eine Berufsgruppe sollte sich eigentlich darauf freuen: die Einkäufer!

Wohl niemand sonst in einem typischen Unternehmen leidet nämlich unter solchen Minderwertigkeitsgefühlen wie derjenige, der in der Einkaufsabteilung seinem Tagwerk nachgehen muss. Jens Hollmann, Chefredakteur der Fachmagazins Einkaufsmanager, nennt sie deshalb mitleidig die „ungeliebten Beschaffungsmäuschen“ – glaubt aber, dass sie das Potenzial dazu haben, zur „Steuerzentrale eines Unternehmens“ aufzusteigen.

Tatsächlich denken die meisten beim Stichwort „Beschaffung“ an Menschen mit dicken Brillen und Ärmelschonern, die tagaus, tagein dicke Kataloge wälzen und mühsam lange Bestellnummern notieren, die sie in komplizierte Formulare übertragen müssen. Ein Knochenjob, so die Vorstellung der meisten Kollegen, und im Grunde keine wirklich menschenwürdige Beschäftigung. Der Einkäufer als moderner Bürosklave? Die Klischees sind fest verwurzelt.

Blickt man in die unternehmerische Zukunft, wird aber klar, dass dem Einkauf eine echte Schlüsselrolle zufallen wird, wenn nämlich die wachsende Vernetzung von Prozessen und Maschinen zu dem führen werden, was  die Bundeskanzlerin Merkel gerne als „Industrie 4.0“ bezeichnet.

Die Erfahrung, die der Einkauf in der Zusammenarbeit über Firmengrenzen hinweg besitzt, werde beim Aufstellen von vernetzten Werkschöpfungsketten eine große Rolle spielen, glaubt Dr. Christoph Feldmann, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik (BME). Das gehe weit über die bisherige innerbetriebliche Prozessoptimierung hinaus und verlange neue Allianzen und Partnerschaften zur Realisierung kundenspezifischer Lösungen. Die Prozesskompetenz und Markterfahrung des Einkaufs sei Voraussetzung dafür. „Ohne Einkauf und Supply Chain wird Industrie 4.0 in Deutschland nicht stattfinden“, ist Feldmann überzeugt.

Wenn beispielsweise Maschinen Ersatzteile und Services nicht automatisch bestellen können, weil das IT-System dazu nicht in der Lage ist, dann bedeutet das für das Unternehmen unter Umständen einen entscheidenden Wettbewerbsnachteil. Industrie 4.0 bedeute aber nicht, dass Roboter Ersatzteile bestellen, glaubt Feldmann – das gebe es ja heute schon. Seiner Meinung nach sollte es das Ziel sein, vollintegrierte digitale Wertschöpfungsprozesse entlang der Supply Chain zu etablieren, die schnell auf Veränderungen im Markt reagieren und rasch aufzeigen, wo es die besten Gewinnaussichten gibt und wo die Kosten am niedrigsten sind. Das erfordere ein vertrauensvolles und durch Verträge abgesichertes digitales Partnernetzwerk, das weit über den eigentlichen Produktionsprozess hinausgehe.

Internet, elektronische Märkte oder elektronische Kataloge sind eine wichtige Quelle für Informationen und die Auswahl und Prüfung von Lieferanten. Und ein Bereich wird in den kommenden Jahren mit Sicherheit immer wichtiger werden: Facebook & Co!

Die Nutzung Sozialer Medien bietet dem Einkäufer eine Reihe von Vorteilen:

  • Business-Netzwerke wie Xing oder LinkedIn bieten Kontakt zu Kollegen, Konkurrenten und Kunden und damit oft brandaktuelle Informationen, die dem Einkäufer helfen können, seinen Job besser zu machen.
  • Plattformen wie Twitter verfügen über eine ausgeklügelte Suchfunktion (zum Beispiel über „Hashtags“), mit deren Hilfe er sich über die neusten Trends und Meinungen in der Branche auf dem Laufenden halten und selbst Diskussionen über gemeinsame Themen anstoßen kann.
  • Das Social Web ist ein guter Ort, um sich ein besseres Bild von seinen Lieferanten, ihrer Geschäftskultur und eventuell auch ihrer Bonität zu machen.
  • Auch die Kollegen aus dem eigenen Unternehmen sind in den Business-Netzwerken und Diskussionsforen unterwegs. Social Media ist ein guter Weg, die Beziehung zu ihnen zu festigen und Ideen auszutauschen, die sich später im Büro vertiefen lassen.

„Social Media werden die Treiber einer neuen Einkäufer-Generation sein“, glaubt Ioan Brumer von der Münchner Unternehmensberatung h&z. Er ist einer der Autoren der Studie „Procurement meets Social Media, in dem er die These vertritt, dass der richtige Einsatz von Social Media im Einkauf nicht nur die Produktivität steigert, sondern auch zu schnelleren, innovativen Entwicklungen führt. Mit der „Alten Garde“, die heute in den entsprechenden Abteilungen das Sagen haben, sei das aber vermutlich nur schwer zu realisieren: „Mit der natürlichen Verjüngung in den Einkaufsabteilungen werden sich dort Arbeitsweisen und Kommunikationsverhalten ändern“, ist er überzeugt.

Smarter einkaufen

Überhaupt werde die Digitale Transformation der Beschaffung nicht ohne grundlegenden Kulturwandel zu schaffen sein. In Social Media-Kanälen gibt es keine oder nur wenige hierarchische Strukturen. Das überträgt sich immer stärker auf viele berufliche Aspekte. Das Prinzip, dass jeder zu jederzeit und zu jedem Thema seine Meinung abgeben kann, könne sogar ein Treiber im Innovationsprozess sein. Das dadurch geförderte offene Kommunikationsverhalten und die mögliche Einbindung externer Partner würde die Einkaufsprozesse beschleunigen, zum Beispiel bei der Lieferantensuche und -bewertung.

Allerdings ist die nachwachsende Generation von Einkäufern, die mit dem Internet groß geworden ist, klar im Vorteil. Die heutige Macher-Generation im Alter von 40 bis 60 Jahren wird sich anstrengen müssen, hier Schritt zu halten. „Lernten früher die älteren Mitarbeiter die jungen Einsteiger an, sind die Rollen beim Thema Social Media vertauscht“, glaubt Brumer. Das führe oft zu Skepsis und Abneigung und häufig auch zu recht abstrusen Entwicklungen, wenn beispielsweise große Automobilkonzerne die Nutzung von Social Media im Unternehmen blockieren. Er mahnt: „Ein Verbot war noch nie eine Lösung im Entwicklungsprozess von Unternehmen. Vielmehr sind Weiterbildung und ein Verhaltenskodex für die Nutzung von Social Media zielführend.“

Überhaupt wird berufliche Weiterbildung und höhere Qualifikation, wie in allen anderen Unternehmensabteilungen, auch in der Beschaffung der Schlüssel zum Erfolg sein. Bis allerdings die Erkenntnisse darüber, welche Fähigkeiten und Kompetenzen ein smarter Einkäufer im Zeitalter von „Smart Procurement“ mitbringen muss, in den Lehrplänen der Universitäten und Fachhochschulen Eingang gefunden haben, wird es vermutlich noch eine Weile dauern. Hier sind Selbsthilfe und Eigenverantwortung gefragt.

Veränderung wird es wohl auch in den Köpfen der Manager geben müssen, die heute über die Einführung vernetzter Beschaffungsprozesse entscheiden müssen. Eine Studie der Wirtschaftsprüfer von KPMG stellte nämlich 2014 fest, dass 73 Prozent der Vorstände und Geschäftsführer der von ihnen befragten Unternehmen gar nicht glauben, dass eProcurement einen positiven Wertbetrag zum Unternehmensergebnis liefern könne. Die grauen Einkaufsmäuschen leben also weiter – aber nur noch in den Köpfen verbohrter Manager.


Dieser Text stammt aus meinem neuen Buch, „Digitale Transformation„, das im Oktober im Vahlen-Verlag erscheint.

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