Es tut sich endlich was gegen GAFA – und ich hab’s ja gleich gesagt!

Der Justizausschuss des Repräsentantenhauses hat seine Schlussfolgerungen darüber veröffentlicht, ob Amazon, Facebook, Apple und Google gegen das Kartellrecht verstoßen. Sein 449-seitiger Bericht kritisiert diese Unternehmen dafür, dass sie Konkurrenten aufkaufen, ihre eigenen Dienstleistungen bevorzugen und übergroße Macht über kleinere Unternehmen haben, die ihre Plattformen nutzen. „Unsere Untersuchung deckte ein alarmierendes Muster von Geschäftspraktiken auf, die den Wettbewerb verschlechtern und Innovationen ersticken“, sagte Ausschussmitglied Val Demings (D-FL). „Der Wettbewerb muss die beste Idee belohnen, nicht das größte Unternehmenskonto“, so Val Demings (D-FL). Wir werden die notwendigen Schritte unternehmen, um Regelverstöße zur Rechenschaft zu ziehen“. Im Juli sahen sich einige der führenden Technologie-CEOs des Landes – Mark Zuckerberg von Facebook, Jeff Bezos von Amazon, Sundar Pichai von Google und Tim Cook von Apple – gezwungen, (aus der Ferne) über das wettbewerbsfeindliche Verhalten ihrer jeweiligen Firmen auszusagen. Der Justizausschuss des Repräsentantenhauses begann diese Untersuchung vor über einem Jahr und hat über 1,3 Millionen Dokumente über diese Geschäftspraktiken gesammelt.

Der Bericht der Mehrheit enthält eine Reihe konkreter politischer Empfehlungen, die zusammengenommen die Funktionsweise der Technologiebranche drastisch verändern würden. Er drängt den Kongress, die Verabschiedung kommerzieller Nichtdiskriminierungsregeln zu erwägen, die große Unternehmen dazu bringen würden, Unternehmen, die Produkte und Dienstleistungen auf ihren Plattformen verkaufen, gleiche Bedingungen zu bieten. Er empfiehlt, bestimmten marktbeherrschenden Plattformen den Wettbewerb in „angrenzenden Geschäftszweigen“ zu untersagen, wo sie einen enormen Vorteil hätten.

Im Großen und Ganzen schlägt sie vor, dass der Kongress einen neuen Standard für Kartellrechtsverletzungen definiert und erklärt, dass die Gesetze „nicht nur zum Schutz der Verbraucher, sondern auch zum Schutz von Arbeitnehmern, Unternehmern, unabhängigen Unternehmen, offenen Märkten, einer fairen Wirtschaft und demokratischen Idealen“ konzipiert sein sollten.

Zwei Jahre zuvor, im November 2018, erschien mein Buch Wild Wild Web – Was uns die Geschichte des Wilden Westens über die Zukunft der Digitalen Gesellschaft lehrt. Es ist natürlich immer schön, seiner Zeit voraus zu sein. Irgendwie ist das ja der Job eines Zukunftsforschers und Zeitkritikers, und wenn ich andere meiner nunmehr 10 Werke über verschiedene Ausprägungen der Digitalen Transformation von Wirtschaft, Gesellschaft und Politik in die Hand nehmen, muss ich immer wieder schmunzeln wenn ich merke, dass ich hier und dort Dinge vorhergesagt habe, die erst Jahre später wahr geworden sind.

Aber noch nie war das Gefühl von Déjà-vu so deutlich wie diesmal. Was der U.S:-Congress da an Erkenntnissen zutage gebracht und die Vorschläge, die sie daraus ableiten, habe ich vor fast genau drei Jahren niedergeschrieben. Am deutlichsten wird das, wenn man meine Conklusio von damals liest, die ich zu einem kurzen Manifest zusammengefasst habe und die ich hier für meine Fans des Cole-Blogs noch einmal zusammenfasse.

10 Dinge, die uns der Wilden Westen lehrt

In diesem Buch habe ich mich bemüht, die vielen Parallelen offenzulegen zwischen den turbulenten Tagen des amerikanischen Wilden Westens und den nicht minder bewegten Anfangsjahren des Word Wide Web, in denen wir uns heute befinden. Denn eines muss uns allen klar sein: Wir stehen digital noch ganz am Anfang, und es steht uns viel Arbeit bevor, wenn wir die Anfangsfehler korrigieren und die Auswüchse erfolgreich bekämpfen wollen. Ich biete deshalb meinen Lesern zum Schluss ein paar Anregungen, die sich aus der Lektüre dieses Buchs ergeben und die zum einen Mut machen, vor allem aber eine mögliche Stoßrichtung aufzeigen sollen. Mit Bundeskanzlerin Merkel habe ich sonst nicht sehr viel gemein, aber mit einem Satz hat sie meine Zustimmung verdient – und meine Hochachtung: „Wir schaffen das!“

  1. Der Schlachtruf der 68er ist heute aktueller denn je: „Macht kaputt, was Euch kaputt macht“. Die Übermacht von GAFA & Co. hat ein Ausmaß angenommen, der für die Menschheit unerträglich ist, und sie müssen deshalb an den Zügel und notfalls zerschlagen werden! Im Fall vom Google/Alphabet oder Facebook, die inzwischen zu riesigen digitalen Mischkonzernen geworden sind, ist der Fall einfach und die Vorbilder klar: So wie Standard Oil und AT&T in ihre Bestandteile zerlegt wurden, könnte man auch diese Online-Riesen auf ein vernünftiges Maß zurechtstutzen. Es entstünden daraus ein halbes Dutzend oder mehr durchaus lebens- und konkurrenzfähige Spieler in ihren jeweiligen Marktsegmenten, ohne dass die Gefahr besteht, dass sie sich durch den hemmungslosen Austausch untereinander wieder zu allmächtigen Datenkraken entwickeln.

  2. Das World Wide Web und die einzelnen Spieler darin benötigen Erwachsenenaufsicht! Vorschläge hierzu reichen von einem Data Rights Board nach Vorbild des Deutschen Presserats bis zu einem digitalen Gütesiegel, eine Art TÜV-Plakette für Algorithmen. Der österreichischer Rechtswissenschaftler und Professor am Oxford Internet Institute, Viktor Mayer-Schönberger, präsentierte in Chicago seine Idee eines „Datenaustausch-Mandats“, das abhängig von der Marktposition des Unternehmens sein soll: Ab einer noch zu bestimmenden Grenze – Mayer-Schönberger schlägt einen Marktanteil von zehn Prozent vor – sollen Unternehmen gezwungen werden, Feedback von ihren Kunden mit Wettbewerbern zu teilen, um zu verhindern, dass die Innovationsfähigkeit der Kleinen im Keim erstickt wird und die Dominanz der Großen noch weiter wächst.

  3. Ohne Spielregeln funktioniert Gesellschaft nicht. Das war im Wilden Westen nicht anders als heute. Doch wer legt die Regeln fest? Ja, für die Gesetze ist der Staat zuständig. Aber wie wir miteinander umgehen, darauf müssen wir uns schon selber einigen. In den Frühtagen des Internet gaben sich die Menschen eigene Spielregeln und nannten sie „Netiquette“. Heute wird die Forderung nach einem „digitalen Hausverstand“ immer lauter, und jeder von uns ist gefordert, seinen zu gebrauchen. Darüber hinaus werden wir auf Dauer nicht ohne eine spezielle, auf die Bedürfnisse unserer Zeit ausgerichtete „digitale Ethik“ auskommen. Diese müssen wir aktiv und aggressiv kommunizieren – in unseren Schulen und Hochschulen, in den Ausbildungsstätten und vor allem in unseren Unternehmen, wo es in jedem Betrieb in Zukunft einen „Ethik-Beauftragten“ geben sollte, so wie heute der Datenschutzbeauftragte selbstverständlich ist.

  4. Gesetze sind nur so gut wie die Politiker, die sie beschließen. Das war zu Zeiten des Wilden Westens nicht anders als heute. Als Helmut Kohl 1995 gefragt wurde, was er in Sachen Datenautobahn zu tun gedenke, antwortete er bekanntlich: „Straßenbau ist Ländersache.“ Fast 20 Jahre später, im Juni 2013, glaubte sein Nachfolgerin Angela Merkel noch: „Das Internet ist für uns Neuland“. Ja, ein zivilisiertes Land braucht Gesetze, aber es braucht auch Politiker, die wissen, was tun. Die Regulierung des Internets ist richtig und wichtig, aber es braucht Fingerspitzengefühl. Im Zweifel sollte man sich auf Selbstregulierung und die Kraft des Marktes verlassen.

  5. Die Räuberbarone des ausgehenden Wilden Westens, mussten mühsam und Schritt für Schritt an die Kandare genommen und gezwungen werden, sich an Regeln zu halten, die wir – Bürger, Konsumenten und der Rechtsstaat – ihnen auferlegen. Aber Regulation ist nur eine – und im Zweifel die letzte – Maßnahme. Deshalb diese Bitte an die Gesetzgeber: Nur so wenig wie möglich und so viel wie nötig. Und wenn Sie nichts vom Internet verstehen, dann enthalten Sie sich der Stimme! Und wenn Sie unsicher sind, fragen Sie Ihre Kinder – oder besser noch: Ihre Enkelkinder!

  6. So, wie der Sherman Act erst nach längeren Anlaufschwierigkeiten gegriffen hat, müssen wir heute mit einem langen Vorlauf rechnen, bevor die dringend benötigten Gesetze gegen Daten-Monopole Datenmissbrauch wirklich zu nachhaltiger Veränderung führen. Deshalb ist es umso wichtiger, sie möglichst bald in Angriff zu nehmen.

  7. Zwei Dinge muss jeder von uns: Sterben und Steuern bezahlen. Es sei denn, man ist ein Online-Konzern wie Amazon oder Apple. Die verstehen es bis heute, sich mit kunstvollen Konstrukten der Steuerpflicht weltweit zu entziehen. Solche global agierenden Konzerne müssen gezwungen werden, Abgaben für Einkommen dort zu entrichten, wo sie anfallen, denn sie sind dort ein Teil der Gesellschaft und können sich nicht damit herausreden, keinen ständigen Geschäftssitz in den jeweiligen Ländern zu unterhalten.

  8. Und wenn wir schon beim Teilen sind: Was ist mit uns, den Besitzern der Daten, mit denen diese Konzerne obszön hohe Gewinne scheffeln? Sind wir nicht im weitesten Sinne ihre Mitarbeiter? Schließlich produzieren wir für sie Mehrwert, indem wir unsere Daten zur Verfügung stellen. Deshalb sollten wir eine Mitarbeiterbeteiligung fordern. Freiwillig werden sie das nicht anbieten, als müssen wir den Druck erhöhen – indem wir uns solidarisieren. Digitale Gewerkschaften für Google, Facebook & Co? Warum nicht!

  9. Und wenn sie nicht nachgeben? Dann wird uns am Ende nichts übrig bleiben, als für unsere Rechte auf die Straße zu gehen. Das zeigt auch im Online-Zeitalter Wirkung, wie die Vorgänge um ACTA gezeigt haben, wo Hunderttausende von Demonstranten ein Gesetz zu Fall brachten, das ein Ende des Internet bedeutet hätte, wie wir es kennen. Wir Internet-Bürger müssen lernen, unsere Muskeln spielen zu lassen – so, wie es unsere Vorfahren im ausgehenden 19. Jahrhundert

  10. Das Ergebnis dieser Auseinandersetzung muss zu einem gesellschaftlichen Umdenken führen. Geiz-ist-geil ist keine Grundlage für Wachstum und Wohlstand aller. Und so, wie Ausgangs des Wilden Westens auf die Ära der Räuberbarone die „Progressive Era“ folgte, könnte die Welle der Solidarität und Sozietät, die GAFA & Co. durch ihr Überreizen provoziert haben, eine neue Epoche der Gerechtigkeit und Menschlichkeit anbrechen. Ja, das klingt blauäugig, und die gesellschaftliche Entwicklung scheint gerade in die Gegenrichtung zu laufen. Aber so muss es für die Menschen im 19. Jahrhundert auch ausgesehen haben, die mit einem Fuß noch im Wilden Westen und mit dem anderen in der anbrechenden Moderne standen. Sie haben uns eine Menge zu sagen. Wir sollten ihnen zuhören!


Übrigens ist das Buch immer noch in

deutscher und inenglischer Sprache erhältlich.

Vielleidcht sollte jemand den U.S: Abgeordneten einen Lesetipp geben. Sie würden sich einen Haufen Zeit sparen – und Zeit ist in diesen Tagen des Virus das knappeste Gut überhaupt.

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