Facebook und die Suche nach der verlorenen Zeit

Der neue Look von Facebook

Rechtzeitig zum Börsenstart hat Facebook eines der größten Veränderungen der letzten Jahre vorgenommen. Sie heisst „Timeline“ – und es hat schon mächtig Ärger deswegen gegeben. Das behauptet jedenfalls die MacWelt, der zufolge sich die Gemeinde in zwei feindliche Lager gespaltet hat.

Die einen finden es toll, dass Facebook alles, was ich je gepostet habe, chronologisch ordnet und als etwas wirres Potpourrie von Bilder, Texten und Querverweisen anordnet, und die anderen – na ja, eben nicht. Sie fühlen sich nämlich gegenihren Willen ausspioniert. Wobei sich mir die Frage aufdrängt: Warum sind sie dann überhaupt auf facebook, wenn nicht, um sich nach Leibeskräften zu outen?

„Facebook Timeline erzählt die Lebensgeschichte jedes einzelnen Nutzers – abhängig davon, welche und wie viele Informationen der Profilinhaber an Facebook überträgt“, schreibt das Mac-Blatt. Und irgendwie hat man als Leser den Eindruck, dass der Autor das unanständig findet, so als ob sich einer im Restaurant ausziehen und im Adamskostüme zwischen den Tischen tanzen würde.

Ich denke, es geht auf Facebook ja darum, dass ich die Wahrnehmung meiner Person willkürlich bestimmen und verändern kann. Das hat etwas Proust’sches an sich. Der schrieb ja schließlich in Die wiedergefundene Zeit, das Leben spinne zwischen allen Ereignissen neue Fäden, „so daß zwischen dem geringsten Punkt unserer Vergangenheit und allen anderen ein reiches Netz von Erinnerungen uns nur die Wahl der Verbindungswege läßt.“ Besser hätte es Mark Zuckerberg auch nicht sagen können.

Also: Schluß mit diesem protogermanischen Kuturpessimismus und hinein in die Suche nach der verlorenen Timeline. Die Zeit ist reif dafür.

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