Freispruch für Raucher

Die erste Verhandlung gegen Teilnehmer am „Smoke-In“ vor dem Landtag in München endete mit der Einstellung des Verfahrens. Weitere werden folgen.

Amtsgericht München, Nymphenburger Straße, zweiter Stock: Um 10 Uhr an einem verregneten Mittwochmorgen findet sich ein rundes Dutzend Teilnehmer am „Smoke-In“ am 3.11.07 vor dem Bayerischen Landtag ein, um zu erleben, wie über die Raucher Recht gesprochen wird. Während die beiden Angeklagten, Elke Korte und Joachim Schwoch, auf ihren Richter warten, wird im Zuschauertraum spekuliert und getuschelt wie einst im Klassenzimmer bevor der Lehrer kam.

Richter Jung trägt auch die gleiche Miene wie ein besonders strenger Oberstudienrat. Die Angeklagten, die Einspruch eingelegt haben gegen Bußgeldbescheid des Kreisverwaltungsreferats München von je 300 Euro wegen Verstoßes gegen das Versammlunsgesetz, schauen etwas verlegen. Schwochs Verteidiger, Jürgen Schneider von Preu, Bohlig & Partner, blättert in den Akten. Es herrscht gespannte Erwartung, als der Richter die Verhandlung eröffnet und zur Personalienfeststellung schreitet. Der Anklagevertreter streichelt einen wirklich eindrucksvoll langen, aber auffällig dünnen Kinnbart.

Hier endet leider die Live-Reportage, denn ich musste als geladener Zeuge den Saal verlassen und erst mal draußen Platz nehmen neben der jungen Polizistin, die als Zeuge über den Ablauf der Aktion zu berichten hatte, sowie dem inzwischen pensionierten Pförtner des Landtags an diesem Tag vor den Überwachungskameras saß. Er ist extra aus Freising angereist, meint aber: „Machen’s sich keine Sorgen wegen der Reisekosten – ich hab eine Rentnerkarte von der MVV.“

Eine Stunde später darf ich mich in den Zeugenstuhl setzen. Der Richter will wissen, warum wir uns getroffen haben („…weil wir etwas gegen das plötzlich geplanten Total-Rauchverbot unternehmen wollten“), was die junge Polizistin zu uns gesagt hat (…gehen’s da nüber“) und ob wir auch alle den Anordnungen Folge geleistet hätten (…ja!“).

Dann beginnt Richter Jung, wie er sagt, „laut nachzudenken“: Dass es sich um eine Versammlung gehandelt habe sei zweifellos, dass sie innerhalb des Bannkreises um den Landtag stattgefunden habe ebenfalls. Dass allerdings auch die Polizei nicht sagen konnte, wo denn dieser Bannkreis sich erstrecke und die Teilnehmer, nachdem dieser Punkt per Funk geklärt wurde, sich auch widerstandslos daran machten, sich zu entfernen, bevor sie zum Zwecke der Feststellung von Namen und Adresse am Weggehen gehindert wurden, sei aber auch klar. Er neige deshalb dazu, das Verfahren einzustellen. Bedeutungsschwangerer Blick zum jungen Anklagevertreter. Der nickt. Richter Jung verkündet im Namen des Volkes das Ende des Verfahrens gegen Schwoch und Korte samt Kostenübernahme durch die Staatskasse. Der dritte Angeklagte, ein Hamburger Geschäftsmann, der trotz rechtsfähiger Vorladung nicht erschienen ist, bekommt dagegen die volle Wucht der Staatsgewalt zu spüren: Er wird in Abwesenheit für schuldig befunden und muss auch noch die Kosten seines Verfahrens tragen. Merke: Wenn Frau Justitia ruft, sollte man ihr auch folgen…

Mehrere Reporter von Abendzeitung, Merkur und dpa sind anwesend, stellen Fragen, schütteln den Kopf: „Das ist doch alles ein Scherz, oder?“, meint eine Journalistin. Nein, jedenfalls nicht für diejenigen, deren Verfahren noch aussteht. Denn der Freispruch für Schwuch und Korte bedeutet noch nicht das Ende der Verfahrenslawine.

Am Montag geht es ab 9 Uhr Schlag auf Schlag: Drei Verfahren hintereinander. Jedesmal von vorne: Personalienfeststellung, Anklageverlesung, Zeugenbefragung. Ob am Ende auch jedesmal eine Einstellung stehen wird, ist Sache des einzelnen Richters. In Deutschland gilt, im Gegensatz zu meiner amerikanischen Heimat, das strenge Präzedenzprinzip nicht. Es bleibt also noch einiges zu tun, bis diese Justizposse endlich dorthin gelegt werden kann, wo sie hingehört: zu den Akten.

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