Ihr dürft mich gerne „Herr Doktor“ nennen

Doktordiplom klein

Es gibt unter meinen Freunden viele kluge Köpfe, darunter einen, der sich das sozusagen hat bescheinigen lassen, nämlich mein Freund Michael Kausch. Verzeihung: Doktor Michael Kausch, so viel Zeit muss sein.

Michael ist in Frankfurt zur Schule gegangen oder so ähnlich. Sie wissen ja: Horkheimer, Adorno, “Kritische Theorie” und all so’n Gedöns. Dass er sich bis heute beharrlich weigert, diesen Titel auch im Alltag zu führen, ist für mich ein bleibendes Rätsel. Immerhin hat er dafür ordentlich schuften müssen, denn so einen Doktortitel kriegst du ja nicht nachgeschmissen.

Oder vielleicht doch? Jedenfalls ist die Welt jetzt um einen weiteren Doktoranten reicher. Mich nämlich: Der Briefträger brachte mir meinen druckfrischen Ehrendokordiplom ins Haus, und ich schaue schon nach einer passenden Wand, um ihn aufzuhängen.

Im Gegensatz zu Michael hat sich meine Doktor-Arbeit in Grenzen gehalten. Genau gesagt habe ich nur ein Online-Formular ausgefüllt und eine Banküberweisung in Höhe von 49 Euro getätigt, die als Spende an die RV Church & Institute Inc. in Miami, Florida, ging. Aus Dankbarkeit für diese großzügige Geste hat mir der Senat der Kirche die Ehrendoktorwürde “Dr. h.c. of Ministry” verliehen, die im Gegensatz zum einem “gekauften” Titel in Deutschland sogar geführt werden darf. Das jedenfalls versichert mir der Vermittler, die Firma Ehrentitel.24.com, in einer Hochglanzbroschüre, die sie freundlicherweise dem Diplom beigelegt haben und wo auf einem Foto zwei junge Doktorantinnen in sehr, sehr kurzen Hosen in einen Laptop schauen und dabei vor ekstatischer Verzückung kaum an sich halten können. So ein Doktortitel, das soll das Foto wohl suggerieren, hat eine geradezu aphrodisische Wirkung auf junge Frauen. (mik: stimmt das?)

Dass die Verleihung der Ehrendoktorwürde mit deutschen Recht und Gesetz im Einklang ist, versichern mir die Broschürenschreiber nachdrücklich. “In Deutschland ist es folgendermaßen geregelt”, schreiben sie: “Die kirchlichen Ehrendoktortitel dürfen Sie auch in Deutschland führen. Ausschlaggebend hierfür ist laut Kultusministerium, dass die ausländische verleihende Stelle im Ursprungsland zur Vergabe der Titel berechtigt ist.” Die RV Church sei eine registrierte “Non-Profit-Organisation, deren Zweck die Führung einer kirchlichen Glaubensgemeinschaft ist”.

Nicht, dass ich selbst daran glauben muss, was die behaupten, das beeilen sich die Broschürenschreiber hinterher zu schieben: “Durch die einmalige Spende sind keine Verpflichtungen o.ä. entstanden. Sie sind kein Mitglied der Kirche geworden, sondern haben die Arbeit der Kirche … unterstützt.” Das sei so, wie wenn ich in eine fremde Kirche gehe und dort bei der Kollekte Kleingeld in den Klingelbeutel werfe. Nur dass mir der Pfarrer beim Hinausgehen nicht nur zum Dank die Hand schüttelt, sondern mir noch gleich einen Doktortitel überreicht.

Ich habe lange gezögert, ob ich nicht gleich aufs Ganze und den – ebenfalls von der RV Chruch angebotenen – Professorentitel nehmen soll. Der hätte nämlich nur 79 Euro gekostet. Für 99 Euro hätte es sogar den Kombi-Pack gegeben, also Doktor und Professor in einem. Aber ich habe mir gedacht: Ich lebe in Österreich, und dort spricht die Klofrau jeden, der reinkommt, mit “Herr Professor” an, also wozu noch Geld ausgeben? Wenn es im Angebot einen Titel als “Geheimer Hofrat” gegeben hätte. wäre ich vielleicht schwach geworden.

Aber so bleibe ich bescheiden und nenne mich ab sofort nur “Dr. h.c. Tim Cole of Ministry (RV / USA). So sieht es die mitgelieferte Vorlage von Ehrentitel24 vor. Und es gibt sogar einen Link zu Vistaprint, wo man sich gleich die ersten Visitenkarten drucken lassen kann, sogar kostenlos!

Tja, lieber Michael, so einfach geht das mit dem Doktor. Aber du kannst immer noch eins draufsetzen. Kostet nur 79 Euro, dann darfst du dich “Professor Kausch” nennen. Oder darfst du das als Lehrbeauftrager in Würzburg vielleicht ohnehin schon? Na, aber da musst du ja richtig für malochen, armer Kerl!

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