Jetzt bin ich eine Marke!

Das ich das noch erleben durfte!

Wenn mein Freund Fritz besonders zufrieden ist mit sich und der Welt, dann entfährt ihm manchmal dieser Spruch: „Sie werden eines Tages Straßen und Plätze nach uns benennen!“  Er ist so nett, mich bei solchen Gelegenheiten mit in sein rosiges Bild der Zukunft einzubeziehen, und ich stelle mir deshalb tatsächlich manchmal vor wie es wäre, wenn es, sagen wir mal, in München-Haidhausen eines Tages einen „Tim-Cole-Platz“ geben würde. Na ja, vielleicht täte es auch ein „Cole-Weg“. Der könnte zum Beispiel vom Isarshochufer hinunter führen in den Herzogpark und hinüber in den Englischen Garten, wo ich meine tägliche Joggingrunde laufe.

Das Problem mit solchen Ehrenbezeugungen ist aber leider, dass sie in aller Regel nur posthum erfolgen. Ich würde also nicht selber durch eine „Cole-Straße“ schlendern können: Meine Nachfahren müssten das für mich tun. Und so hält sich meine Begeisterung über derartige Zukunftsaussichten, anders als bei Freund Fritz, doch meist in recht enge Grenzen.

Das Gleiche gilt auch für Gedenkmarken, mit denen die Post manchmal mehr oder weniger verdiente Menschen ehrt: Auch sie kann der Ausgezeichnete ja nicht selber auf einen Brief kleben und ins Postkasterl werfen. Dazu muss er erst die letzte große Lebensleistung vollbringen, nämlich möglichst würdevoll zu sterben. Wenn ich ein gläubiger Mensch wäre, könnte ich mich ja wenigstens mit der Vorstellung trösten, ich säße eines Tages wie weiland Aloisius auf meiner Wolke und würde hinunterschauen und sehen, wie mich Leute von hinten belecken. Das heißt, man muss ja heutzutage die Marke nicht mehr befeuchten, damit sie haftet: Sie sind ja selbstklebend. Aber Sie wissen schon, was ich meine.

Womit wir bei der Post wären. Ich habe in den letzten Wochen viel mit ihr zu tun, namentlich zu den von ihr in 28 verschiedenen Städten betriebenen „Direct Marketing Centern“. Die haben mich für eine Serie von Vorträgen gebucht, und ich komme deshalb viel herum und entdecke nebendabei viele neue Orte und Gegenden, die mir in den letzten 50 Jahren, die ich als Amerikaner in Deutschland verbracht habe, verborgen geblieben sind. Ich war zum Beispiel noch nie auf der Wartburg, durchfuhr noch nie das majestätisch-breite Tal der Mittelelbe und spazierte niemals durch die verwinkelten Gassen des Bremer Schnoorviertels. Was ist es doch für ein schönes Land, dieses Deutschland!

Und auch die gute alte Post ist nicht ohne, wie ich auf meinen Reisen lernen durfte. Von wegen behäbiger Gelbe Riese! Von Schneckenpost auch keine Spur. Die Leute vom Direct Marketing Center sind voll auf Ballhöhe in Sachen Internet & Co., bauen Homepages und Online-Shops für Mittelstandskunden, setzen Adwords-Kampagnen bei Google auf, setzen hochmodernes Blickfeld-Tracking ein, um die Werbewirkung von Websites zu überprüfen und setzen so genanntes „SiRanking“ ein, um den Social Media-Koöffizienten von Online-Kunden zu messen und entsprechende Response-Strategien zu entwerfen. „Wir sind in der Welt der Online-Werbung ebenso zu Hause wie in der alten Offlinewelt“, behauptete neulich stolz ein Niederlassungsleiter, und man sah ihm an, wie stolz er auf seine neue alte Firma ist.

Das Angebot der Online-Post ist ein bunter Strauß aus vielen verschiedenen Werbeformen und Arbeitsmitteln, aber mein Favorit ist eigentlich eines der Altmodischsten: Die Briefmarke. Man kann sie schon längst per Internet kaufen und gleich daheim ausdrucken, ohne in der Postfiliale anstehen zu müssen. Was ich aber vorher nicht wusste ist, dass ich auch meine ganz eigene Briefmarke haben kann, und das bereits zu Lebzeiten!

„Marke Individuell“ heißt dieses Angebot. Die Post nennt sie „die Briefmarke für mehr Aufmerksamkeit“. Man kann sie in wenigen Minuten selbst gestalten mit Hilfe eines einfachen Online-Tools, den die Post auf ihrer Website bereitstellt. Nach ein paar Tagen bringt der Briefträger den Bogen mit lauter selbstgestalteten Briefmarken nach Hause, und man kann sie wie eine ganz normale Briefmarke verwenden, sie also auf Briefumschläge oder Päckchen kleben, und sie werden tatsächlich dem Adressaten zugestellt.

Ich habe mir jetzt einen Bogen mit Eigenmarken kommen lassen. Sie sind nicht so ganz billig: Neben dem Porto, in meinem Fall also 55 Cents, sind bei Abnahme der Mindestmenge von 20 Stück stolze €1,21 fällig (bei großen Mengen geht der Preis schnell runter auf 13 Cents das Stück). Aber was ist das schon – gemessen an dem wunderbaren Gefühl, sozusagen dem Sensenmann ein Schnippchen geschlagen zu haben und die eigene Gedenkmarke gesehen zu haben: Das ich das noch erleben durfte! Danke, Ihr lieben Leute von der Post.

Mein Freund Fritz wird demnächst einen „runden“ feiern, wenn er sich dranhält und nicht vergißt, seine Blutdruckpillen zu nehmen. Und ich weiß auch schon, was ich ihm schenken werde: Die eigene Briefmarke, natürlich.

Jetzt muss ich mir nur noch überlegen, wie ich es schaffe, einen Platz oder eine Straße nach ihm benennen zu lassen. Ich kann ja mal die Post fragen.

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