Mehr Gewalt im Internet!

Alles nur ein großes Missverständnis!

Die heutige Jugend ist schlecht. Sie neigt zu Gewalt und hat kein Respekt vor andere. Und am schlimmsten sind diese jungen Ausländer! Oder etwa nicht? Nein, ganz und gar nicht. Auch wenn die Gazetten voll sind von U-Bahn-Schlägern mit Migrantenhintergrund, so entpuppt sich die Vorstellung von der steigenden Gewaltbereitschaft junger Menschen im Allgemeinen und jungen Ausländern im Besonderen als reines Stammtischgeschwätz. Und das verdanken wir dem Internet!

Ein kurzer Blick in die aktuelle Kriminalstatistik des BKA genügt. Erstens ist die Zahl der jugendlichen Tatverdächtigen insgesamt rückläufig, und zwar um minus 4,4 Prozent. Und zweitens werden nicht mehr, sondern weniger Gewaltverbrechen bei uns verübt, nämlich nur noch 208.446 im Jahr 2009, ein Minus von 1,2 Prozent. Mord und Todschlag sind da inbegriffen; die Zahl der „einfachen“ Delikte wie gefährliche und schwere Körperverletzung ist sogar noch stärker zurückgegangen. Eine Pressemitteilung des BKA sei hier zitiert: “Besonders signifikant ist – wie schon in den Vorjahren – der erneute Rückgang bei den jugendlichen Tatverdächtigen im Alter von 14 bis 18 Jahren. Zurückgegangen sind in dieser Altersgruppe insbesondere die Anzahl der Tatverdächtigen bei der Gewaltkriminalität um fast 9 Prozent … sowie bei der in der Gewaltkriminalität enthaltenen gefährlichen und schweren Körperverletzung um 9,4 Prozent.”

Diese Entwicklung ist übrigens in anderen Ländern noch viel stärker ausgeprägt, denn Deutschland ist im internationalen Vergleich ein ziemlich gewalttätiges Land. In den USA ist die Zahl der Gewaltverbrechen laut neuester FBI-Statistik um 5,5 Prozent gesunken.  Nun rätseln die Fachleute, warum das so ist. Und einer von ihnen, der angesehene Harvard-Ökonom Larry Katz glaubt, den Grund gefunden zu haben: Online-Spiele und Gewaltvideos.

Eigentlich hätte nämlich im letzten Jahr die Zahl der Jugendlichen, die im richtigen Leben zuschlagen, stark steigen müssen. Das ist immer so, wenn es der Wirtschaft schlecht geht. Katz war also völlig baff, als er die neuen FBI-Zahlen hörte, weil das eigentlich gar nicht sein kann. In der Krise sitzen mehr Jugendliche als sonst auf der Straße herum und haben nichts zu tun. Langweile und Testosteron sind eine tödliche Mischung: Sie führt zu Aggressionsstaus, und die wiederum entlädt sich gerne in wilden Prügeleien und anderen Gewaltorgien. Games und Videos lenken aber von der Tristesse des Alltags ab und bieten ein Ventil, über das Frust gewaltfrei abgebaut werden kann, sagt Katz. Und da gerade junge Männer, deren Anteil an Gewaltverbrechen besonders hoch ist. überdurchschnittlich lange vor dem Bildschirm sitzen, schlägt sich das inzwischen spürbar in der Statistik nieder.

So ähnlich haben schon vor ein paar Jahren die Wissenschaftler Gordon Dahl und Stefano DellaVigna in einem Artikel über Gewalt in Kinofilmen im MIT Quarterly Journal of Economics argumentiert. „Gewaltfilme helfen Gewaltverbrechen zu vermeiden,“ schrieben sie zum Entsetzen der Elternverbände, „weil sie potenzielle Angreifer anziehen und sie in einer abgedunkelten, alkoholfreien Umgebung festhalten. Statt sich in Bars voll zu dröhnen und dann durch die Straßen zu ziehen auf der Suche nach Ärger verbringen potenzielle Verbrecher die Chaosstunden, indem sie Popcorn essen und Zelluloid-Gaunern beim ersatzweisen Abschlachten zuschauen.“

Wenn Sie also das nächste Mal Bundesbildungsministerin Annette Schavan zum Sperren von Gewalt-Seiten im Internet aufruft oder Ursula von der Leyen, die demnächst womöglich als Mutter der Nation ins Schloß Belvue einzieht, durch die Hintertür Online-Zensur einführen will, dann sollten wir aufhorchen.Wir brauchen im Zweifel nicht weniger, sondern mehr Gewalt im Internet – und weniger Stammtischpolitiker in den höchsten Staatsämtern.

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