Roboter wollen deinen Job doch gar nicht!

Die Angst geht um vor den Robotern. Sie sind Job-Killer, werden die Menschen massenhaft in Arbeitslosigkeit und Prekariat stürzen. 2017 sagten Wissenschaftler in Oxford voraus, dass ein Drittel aller Job durch Automation und Künstliche Intelligenz (KI) bedroht seien. Vor allem in der Müllentsorgung, im Transportgewerbe und in der Fertigung, so die Analysten von PwC, würde die Zahl der menschlichen Mitarbeiter in den kommenden 15 Jahren drastisch sinken. Aber nicht nur dort. Bibliothekare, Steuerberater, Versicherungsvertreter, Handnäher und Frachtagenten laufen ein 99prozentiges Risiko, arbeitslos zu werden, schrieb der London Telegraph.

Oder vielleicht nicht. Das jedenfalls ist das Ergebnis einer Studie, die Ken Goldberg von der University of California, Berkeley, und Vinod Kumar, CEO von Tata Telecommunications, unter dem Titel Cognitive Diversity: AI and the Future of Work, veröffentlich haben. Gut, Tata ist das größte IT-Unternehmen Indiens und würde deshalb vom Siegeszug der Automation unverhältnismäßig profitieren. Aber an dem, was die beiden sagen, ist etwas dran.

Sie haben 120 Führungskräfte interviewt und dabei herausgefunden, dass die Stimmung gar nicht so schlecht ist: 77% denken, dass KI mehr neue Jobs schaffen, als sie zerstören wird. Ja, die Mitarbeiter werden sich höher qualifizieren müssen, um diese Jobs auch ausfüllen zu können. Aber die gute Nachricht ist, dass die neuen Jobs viel befriedigender sein werden als die alten!

Ein Blick zurück bestätigt, dass die schlimmsten Voraussagen über Job-Killer danebengelegen haben. Der Barcode sollte das Ende der Kassierer sein – aber es sitzen immer noch jede Menge, meistens weibliche Menschen an Registrierkassen und verbringen den Tag damit, Waren über Scanner zu ziehen – wahrscheinlich die menschenunwürdigste Beschäftigung, die man sich vorstellen kann, und eine, die viel besser und billiger von Roboter erledigt werden könnte. Geldautomaten sollten zur Massenarbeitslosigkeit von Bankern führen – aber das Gegenteil ist eingetroffen: Von Routinetätigkeiten wie Geldscheine überreichen befreit, können sich Banker heute um die Beratung ihrer Kunden kümmern, was ihnen viel mehr Freude und Selbstwertgefühl bringt.

Werden selbstfahrende Lastwagen das Ende des Truckers bedeuten? Von wegen! Auf langen Autobahnstrecken, ja, da wird der Roboter das Steuer übernehmen, aber in engen Ortsdurchfahrten oder auf der letzten Meile sind Satnav-Systeme deutlich überfordert. Da wird der Mensch noch lange ins Lenkrad greifen müssen. Und wer soll den Laster bitteschön entladen? Nein, der Fernfahrer ist mit Sicherheit ein Beruf mit Zukunft, zumal sich der Brummilenker zwischendurch ja ausruhen kann. Anders ist es heute bei den Linienpiloten ja auch nicht: Bei Start und Landung werden sie gebraucht, dazwischen steuert Kollege Computer den Jetliner ins Ziel!

Selbst im Büro wird KI lediglich die Routinearbeit erledigen – und den Wissensarbeiter entlasten, der sich um Wichtigeres kümmern kann. Laut PwC werden automatisierte Systeme langweilige und repetitive Tätigkeiten wie Lieferketten austüfteln, Schreibtische in non-territorialen Büros zuteilen und Protokolle führen übernehmen. Und in multinationalen Firmen, deren Mitarbeiter womöglich verschiedene Sprachen sprechen, werden automatisierte Übersetzungsdienste die zwischenmenschliche Kommunikation erleichtern.

Am Ende könnten künstlich intelligente Systeme auch ein Gegenmittel sein gegen Groupthink – die Neigung von Mitarbeitern des gleichen Unternehmens, ähnlichen Denkmustern zu folgen, die mit den Jahren Teil der Firmen-DNA geworden sind. Ein schlauer Algorithmus könnte zum Beispiel Protest erheben, wenn die Kollegen potenziell falsche oder gefährliche Annahmen ungefragt hinnehmen.

Jedes Unternehmen leidet ja heute an Talentmangel, und der Jobmarkt für viele anspruchsvollen Berufe ist leergefegt. Vor diesem Hintergrund bleibt Unternehmen gar nichts anderes übrig, als die eigene Belegschaft als Talentquelle zu entdecken. Künstlich intelligente Systeme könnten die Personaldatenbank nach potentiellen Kandidaten durchforsten, denen man durch entsprechende Angebote nahelegen kann, sich für höherbezahlte Jobs qualifizieren zu lassen.

Das passiert heute schon: Ich habe neulich die Gebäudereinigungsfirma Bockholdt in Lübeck kennengelernt, immerhin ein Unternehmen mit über 6.000 Mitarbeitern. In der norddeutschen Tiefebene, so sagte mir die Firmenchefin, spießen ja überall Windkrafträder wie Spargel aus dem Boden, und die müssen in bestimmten gesetzlich vorgeschriebenen Mindestabständen geputzt werden, und dazu muss man oben aussteigen und sich abseilen. Das erfordert eine Zusatzausbildung, und solche Fachkräfte sind auf dem Arbeitsmarkt einfach nicht zu bekommen, Punkt!

Sie gab deshalb der hauseigenen IT den Auftrag, einen Algorithmus zu schreiben, der die Personaldatenbank nach Leuten durchforstet, von denen man annehmen kann, dass sie für sowas geeignet, also zum Beispiel schwindelfrei sind. Wer früher mal beim Hochbau gearbeitet hat oder in seiner Freizeit auf Berge klettert, der könnte ja ein Kandidat sein, oder? Es fanden sich immerhin 600 Leute, die geeignet zu sein scheinen, und von denen waren 400 bereit, sich in einem Kurs weiterbilden zu lassen. Jetzt verdienen sie das Doppelte und dürfen vorwiegend in der frischen Luft arbeiten – in mehrfacher Hinsicht ein echter Aufstieg!

Personaler können aber noch viel mehr: KI kann Empfehlungen generieren von Mitarbeitern, deren Karrierepfad ähnlich ist wie solche, die bereits erfolgreich qualifiziert worden sind. Und KI-Systeme wären in der Lage, das Feedback der eigenen Mitarbeiter (natürlich anonymisiert) so auszuwerten, dass der Chef auf Dinge im Laden hingewiesen wird, über die sich seine Leute regelmäßig ärgern und deren Beseitigung das Betriebsklima dauerhaft verbessern würden – was ja auch die Lebensqualität der Mitarbeiter steigern kann.

Also zurück zur Ausgangsfrage: Sind Roboter und Automaten Job-Killer? Ja, natürlich sind sie das. Die nächste Technologie hat schon immer denjenigen den Job gekostet, die am Alten festgehangen haben. Was wurde aus den Bremsern, als die Züge keinen Bremswagen mehr brauchten? In Großbritannien durften sie noch jahrelang mitfahren, obwohl sie keine nützliche Funktion mehr ausüben konnten. Aber Alimentierung ist gesamtgesellschaftlich keine Dauerlösung! Was wir brauchen sind Konzepte, wie wir Menschen, deren Arbeit durch Technologie überflüssig wird, einer sinnvollen und menschenwürdigen Tätigkeit zuführen können. Wir müssen das Thema Inklusion also völlig neu denken und weiterführen!

Vielleicht hat auch mein Freund Gerd Leonhard Recht, der eine Art neue Maschinensteuer fordert, aus deren Einnahmen diejenigen versorgt und weitergebildet werden sollen, die das Opfer von Automation und Robotik geworden sind. Das wird ein harter Kampf, aber ich denke, das schaffen wir!

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