Rühren verboten!

So traurig es ist für einen echten Anglophilen, aber leider ist es wahr: Die geheiligte britische Institution des Nachmittagstees ist eine Erfindung der Franzosen. Ausgerechnet die Franzosen, oh my God! Französische Händler hatten nämlich Indien lange vor den Engländern erreicht, und ist verbrieft, dass bereits im Jahre 1636 in Paris „Cha“ oder „Chai“ angeboten wurde; in London tauchten die ersten Teeblätter erst 22 Jahre später auf! Madame de Sévigné, die in ihren Briefen an ihre Tochter gerne über das Leben am Hofe des Sonnenkönigs Ludwig XIV. traschte, notierte zum Beispiel: „Traf Prinzessin de Tarente, die jeden Tag zwölf Tassen Tee zu sich nimmt und behauptet, es kuriere alle ihre Malaisen.“

Bis zum Jahr 1700 hatten die Briten den Erzfeind allerdings an der Tee-Front klar überholt: In mehr als 500 „Coffee Houses“ schlüften die Londoner, nein, keinen Kaffee, sondern vorzugsweise Tee, von dem sie alleine zwischen 1750 und 1760 mehr als 20.000 Tonnen importierten.

Doch bevor aus dem mehr oder weniger hastigen Brüh-Genuss die feierliche Tee-Zeremonie entstand, sollte es nochmal 200 Jahre dauern. Anna Maria Stanhope, die Herzogin von Bedford und eine Zimmerdame Königin Victorias, wird als die eigentliche Erfinderin des „Five O’Clock Tea“ gefeiert: Statt in ihrem Wohnsitz, dem Belvoir Castle , wie gewohnt auf zierlichen Tee-Tischlein mit niedrigen Beinen ließ Ihre Durchlaucht den Tee am hohen (Essen-)Tisch servieren, zusammen mit einer herzhaften Mahlzeit, bestehend aus Sandwichs, Kuchen und allerlei Süßem: Der „High Tea“ war geboren.

Mit der Zeit haben sich bestimmte Regeln heraus kristallisiert, die beim Fünfuhrtee unbedingt zu beachten sind, will man sich nicht als Outsider und Ignoramus zu erkennen geben. Der Henkel der Tasse wird zwischen Daumen und den drei ersten Fingern gehalten, der kleine Finger wird leicht abgespreizt – nicht etwa aus Affektiertheit, sondern weil sich so die Balance besser halten lässt. Der Tee wird auch nicht gerührt, nachdem man Milch und Zucker hinein gegeben hat: Stattdessen taucht der kultivierte Brite den Löffel an der Sechs-Uhr-Position ein und zieht ihn bis zur Zwölf-Uhr-Position und wieder zurück. Merken Sie sich einfach: Hin und her, nicht rund herum.

Leidenschaftlich verfeindet sind hingegen im Vereinigten Königreich die beiden Lager der „Mifs“ und der „Tifs“: Kommt zuerst die Milch („Milk-in-first“) oder zuerst der Tee („Tea-in-first) in die Tasse? Bevor Sie das nächste Mal zum High Tea erscheinen, sollten sie den Butler vorher diskret fragen, wie es Ihre Gastgeberin hält. Es könnte sonst Ihre letzte Einladung gewesen sein.

Und um Himmels Willen: Sagen Sie ihr nichts von den Franzosen!

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