Sie dürfen gerne meine Stimme haben, Herrn Lorenzo

Wer zweimal wählt, dem glaubt man nicht.

Wer zweimal wählt, dem glaubt man nicht.

Der Chefredakteur der ZEIT, Giovanni di Lorenzo, hat vor laufender Kamera zugegeben, dass er gleich zweimal einen Stimmzettel bei der Europawahl gegeben hat, und deswegen sind ihm jetzt plötzlich alle böse. Das ist jetzt sogar ein Fall für den Staatsanwalt, denn laut Paragraf 6, Absatz 4 des Europa-Wahlgesetzes heißt es ganz klar: „Das Wahlrecht darf jedoch nur einmal und nur persönlich ausgeübt werden.“

Ich habe hingegen überhaupt nicht gewählt, denn ich bin Amerikaner, und das Wahlrecht in Europa sieht uns überhaupt nicht vor – obwohl ich seit über 50 Jahren in Europa wohne und in dieser Zeit brav Steuern bezahlt und zumindest ein bisschen zum Wachstum des Bruttosozialprodukts beigetragen habe. Ich bin mit einer Europäerin (einer Österreicherin) verheiratet und habe Grundbesitz in zwei EU-Ländern (Deutschland und Österreich). Alle Entscheidungen, die in Straßburg und Brüssel fallen, betreffen mich auch in hohem Maße – aber mitwählen darf ich deswegen noch lange nicht.

Ich finde das Wahlrecht, so wie es in fast allen Ländern betrieben wird, deshalb absurd: Die Vorstellung eines Nationalstaats ist im Zeitalter der digitalen Globalisierung sowieso ein Anachronismus. Wenn überhaupt, dann sollte jeder, der in einem Land wohnhaft ist, auch über das Schicksal dieses Landes an der Wahlurne mitbestimmen dürfen.

Deshalb finde ich, dass Herr di Lorenzo seine Zweitstimme gerne in meinem Namen abgeben kann und darf. Da ich mit der Redaktionslinie der ZEIT im Großen und Ganzen einverstanden bin, denke ich, dass er in meinem Sinne gestimmt haben dürfte.

So, und können wir uns jetzt vielleicht ein paar wichtigeren Themen zuwenden. Zum Beispiel einer grundlegenden Reform des Europawahlrechts? Danke.

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