Tod eines iPhones

Bye bye, baby, bye bye!

Bye bye, baby, bye bye!

In Deutschland gibt es über 100 Millionen Handys. Das ist erstaunlich wenn man bedenkt, dass es nur 80 Millionen Deutsche gibt, und dass ungefähr vier Millionen davon jünger sind als 5 Jahre und deshalb vermutlich nicht allzu oft telefonieren (das heißt: Ich kenne da ein paar Fünfjährige…).

Das sind übrigens nur die aktiven Handys. Kein Mensch weiß, wie viele ollen Kamellen mit toter Batterie in den Schreibtischschubladen der Nation schlummern, denn merke: Niemand schmeißt ein Handy weg!

Deshalb war es heute für mich auch ein ganz besonderes, uund ein besonders befreiendes Erlebnis, als ich mein iPad wutentbrannt in den Papierkorb schmiss. Um zu erklären, warum ich das getan habe, muss ich ein bisschen ausholen.

1992 wurde das D-Netz in Deutschland eingeführt, also die ersten echten „Mobiltelefone“. Ja, es gab früher schon die A- und B-Netze, und Leute mit sehr viel Geld konnten sich die notwendige kiloschwere Anlage in den Kofferraum ihres Autos einbauen, um unterwegs telefonieren zu können. Aber mit dem D-Netz (es gab übrigens damals zwei: D1 und D2, erstere von der Telekom betrieben, beziehungsweise der Deutschen Bundespost, wie sie damals hieß, bevor die Telekom 1994 ausgegliedert und privatisiert wurde, aber ich verliere mich hier langsam im Detail. Alten Leuten geht das manchmal so…).

Jedenfalls besitze ich seitdem immer mindestens ein Handy, oft auch zwei oder drei oder vier, von denen meistens nur einer in Betrieb ist. Und die Dinger müssen bei mir einiges aushalten.

Schon mein Motorola 3200, vulgo „Motorola-Knochen“, musste mehrfach den „Cole-Test“ bestehen. Ich muss dazu sagen, dass wir damals bei der Motorpresse Stuttgart die Zeitschrift „connect“ gerade aus der Taufe gehoben hatten, und als Chef der zuständigen Redaktionsgruppe war ich als technischer Laie zwar für den Laden verantwortlich, aber nicht beteiligt am Tagesbetrieb, der eben zu einem Gutteil aus dem Testen von Handys bestand.

Es gab viele Testmethoden, etwa für Signalstärke, Batterielebensdauer oder Klangqualität. Aber nur ich habe Handys auf ihre Überlebensfähigkeit getestet.

Ich besaß damals einen sehr britischen Regenmantel von Burberry, einen „Cavalry Coat“, wie ihn früher die Offiziere Ihrer Majestät hoch zu Ross trugen. Er hatte große Innentaschen, wo die Herren früher ihre Ferngläser, Tabakspfeifen, Landkarten oder was auch immer trugen, und man konnte durch die Tasche von außen in die Innentasche greifen, was ihn übrigens auch zum perfekten Mantel für Ladendiebe machte.

Ich pflegte jedenfalls meinen Motorola in die Tasche zu stecken, und mindestens einmal die Woche griff ich dabei an der Tasche vorbei, und das Handy fiel beim Loslassen aus Hüfthöhe aufs Pflaster. Das ist mir sicher 30 oder 40 Mal passiert, und der gute Knochen funktionierte danach immer noch einwandfrei. Es gab ja auch das Gerücht, man könne das Ding auch zum Einschlagen von Zeltheringen verwenden – es war einfach unverwüstlich!

Sein Nachfolger, der Nokia 8110, wegen seiner gebogenen Form auch die „Banane“ genannt, war zwar todschick, aber leider nicht ganz so hart im Nehmen. Jedenfalls brach gleich beim ersten Test die blöde Abdeckklappe weg, die man über die Tastatur schieben musste, damit sie geschützt war.

Nicht besser erging es meinem Siemens S10, das erste Handy mit Farndisplay, das aber beim ersten Testversuch gleich einen Sprung bekam, der aber trotzdem noch ein gutes Jahr seinen Dienst tat, bevor ich ihn beiseitelegte.

So ging es weiter durch die Jahre, die Handy kamen und gingen – kaputt. Ich telefonierte und ließ sie fallen, wurde recht geschickt darin, Notfallreparaturen mit Gummiband oder Tesafilm zu machen, und gewöhnte mich an zerkratze Displays und klemmende Tasten.

Was mir – im Gegensatz zu meiner Tochter – allerdings all die Jahre nie gelang war es, ein Handy ins Klo fallen zu lassen. Bei Valerie tat das Dinge sogar noch, jedenfalls halbwegs. Nur war die Batterie nach ein paar Stunden immer leer, aber sie war damals noch Lehrling und hatte kein Geld für ein neues Handy, bis ich mich eines Tages erbarmte und ihr ein neues schenkte.

Aber gestern war es soweit. Eigentlich ist es eine ziemlich peinliche Geschichte, aber im Zuge meiner Chronistenpflicht als Handy-Historiker muss ich sie wohl erzählen.

Ich laufe gerne, und gestern war wunderbares Wetter im Lungau, also zog ich mich um, stecke den iPhone in die Gesäßtasche meiner Laufshorts und rannte los, runter zur Mur und dann am Golfplatz entlang Richtung Nachbardorf. Nun müssen alte Männer wie ich ja ein bisschen häufiger mal als Ihr Jüngeren, und ich entsann mich, dass es am Ende des Golfplatzes am Fünfergrün, ein Toilettenhäuschen gibt.

Ich verdrückte es mir also bis dahin, bog ab und stand schließlich am stillen Ort, wo ich – man ist ja von seiner Frau brav erzogen und sitze auch beim „kleinen Geschäft“ – umdrehte und die Hose herunterzog.

Ich ahnte in dem Moment auch schon, was jetzt geschehen würde, aber da war es schon zu spät. Es machte „plumps“, und der iPhone fiel ins Wasser.

Ich überwand meinen instinktiven Ekel – schließlich war ja noch nichts passiert, urinmäßig gesehen – und griff hinein, holte das Gerät heraus und schüttelte es erst mal aus. Dann wickelte ich es in Klopapier ein, trocknete es ab und versuchte dann damit zu telefonieren.

Es war natürlich Fehlanzeige: Das Ding war tot. Naja, ganz tot nicht, denn es leuchtete immerhin das Blitzlicht auf der Rückseite, aber im Dauerbetrieb. Nur einschalten ließ es sich nicht mehr. Dafür liefen ab und zu ein paar Wassertropfen aus der Kopfhörerbuchse.

Und so endet mal wieder eine Ära. Ich bin nicht besonders böse, denn mein iPhone hatte schon ein paar Jahre auf dem Buckel und wohl auch ein paar Apps zu viel im Speicher, jedenfalls war er etwas langsamer geworden, so wie ich ja auch. Ich habe es ihm deshalb auch nicht übel genommen, aber ein bisschen erleichtert bin ich jetzt doch, denn nun habe ich ein perfektes Argument meiner Frau gegenüber, die bei uns das Haushaltsgeld überwacht, warum ich mir jetzt schon wieder ein neues Handy kaufen muss. „Das ist doch mindestens das 5oste, seit wir verheiratet sind“, hat sie nur gesagt.

Ich denke, sie untertreibt. Es waren sicher mehr…

Dieser Beitrag wurde unter Das Leben an sich, Mobilität abgelegt und mit , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Kommentar verfassen

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.