Vertrieb 3.0

Am Donnerstag darf ich auf dem DVVK sprechen, dem Deutschen Vertriebs- und Verkaufsleiter Kongress, der zum 35sten Mal stattfindet und als ein Stelldichein der Sales-Profis in Deutschland gilt. Ich freue mich sehr darauf, zumal mir das Thema, das mir gestellt worden ist, sehr am Herzen liegt, nämlich: Wie funktioniert Vertrieb im Zeitalter von Internet und Social Web?

Wir stehen nämlich heute am Übergang von einer analogen zu einer digitalen Wirtschaft. In ihr kommt es weniger auf unternehmerische Einzelleistung an als auf Vernetzung, auf Kommunikation, auf Dialog und Kollaboration. Darauf sind viele Unternehmer und Vertriebler nicht wirklich vorbereitet, auch heute noch, 20 Jahre nach dem Beginn der Internet-Revolution.

Natürlich stehen überall in den Büros, in Lagerhäusern und Fabriken PCs, natürlich verfügen auch kleine und mittlere Unternehmen über Server und Datennetze zur Übermittlung und Verarbeitung von Informationen. Sie beschränken sich aber weitgehend auf die Automatisierung klassischer Abläufe und Verwaltungsprozesse, zum Beispiel im Vertrieb, in der Logistik, im Rechnungswesen, in der Warenwirtschaft, in der Produktionssteuerung oder in Konstruktion und Planung.

Es stimmt zwar, dass viele Unternehmen in den letzten Jahren auch erste, meist zaghafte Schritte Richtung eBusiness unternommen oder mit Hilfe mehr oder weniger funktionsfähiger Webshops den Einstieg in den eCommerce gewagt haben. Manche beschäftigen sich auch mit der Möglichkeit, Social Media in die moderne Kundenkommunikation einzubinden. Insgesamt aber bleiben Digitalisierung und Vernetzung in den meisten mittelständischen Unternehmen Stückwerk – digitale Inseln inmitten analoger, arbeitsintensiver und deshalb heute schon inneffizienter Geschäftsprozesse. Und dabei stehen wir mit der Digitalisierung ja eigentlich erst am Anfang!

Dass Facebook & Co. In Zukunft sich immer mehr zu einem interessanten Vertriebskanal entwickeln werden, ist klar. Die Kombination aus rationalem und emotionalem Einkauf führt  in aller Regel zu messbar höherer Kaufwahrscheinlichkeit, weil sie auf Empfehlungen anderer Kunden basieren und damit viel glaubwürdiger sind als die Hochglanzwerbung des Anbieters. Als Kunde kann man sich Freunde austauschen, sie nach ihrer Meinung fragen, Produktbeschreibungen oder Foto zu einem gewünschten Produkt ebenso wie Tipps und Ratschläge per E-Mail, Twitter oder Facebook teilen. Wer nach einem bestimmten Produkt sucht, kann das Ergebnis der Recherche nach der Beliebtheit bei anderen Kunden filtern und sich mit der Zeit ein persönliches Netzwerk von Nutzern mit ähnlichem Geschmack aufbauen, die sich gegenseitig beim Online-Kauf beraten: Beim Shoppen gibt’s das Wir-Gefühl gratis dazu. „Social Shopping“ heißt das neue Erfolgsrezept im Zeitalter von Vertrieb 3.0.

Mobiles Internet ist die zweite Raketenstufe auf dem Weg zur totalen Vernetzung. Wer sich einmal daran gewöhnt hat, wo er geht und steht Informationen abrufen, Kaufwünsche erfüllen und mit anderen zu kommunizieren, der wird es in Zukunft als selbstverständlich ansehen. Die Ansprüche steigen und damit der Druck auf die Unternehmen, dem Kunden, Mitarbeiter und Partner kommunikativ entgegen zu kommen. Das heißt aber auch: Das Unternehmen muss rund um die Uhr kommunizieren. Feierabend gibt es in der Unternehmenskommunikation nicht mehr. Mitarbeiter und auch der Chef müssen auf Twitter, Facebook oder Foursquare auch in der Freizeit erreichbar sein. Und automatische Informationssysteme müssen auch dann Anfragen beantworten können, wenn die eigenen Leute längst im Bett liegen. Wir haben es inzwischen mit Kunden zu tun, die ich gerne als „Generation Jetzt“ bezeichne – ungeduldig, fordernd, allzeit kommunikationsbereit. Sie wollen etwas, und sie wollen es JETZT! Wer da nicht mitkommt, der bleibt auf der Stecke.

Die Aufgabe der nächsten Jahre lautet deshalb ganz klar: Die technischen und organisatorischen Voraussetzungen schaffen, um diese neue Art der Kundenkommunikation in bestehen de Geschäftsprozesse einzubauen und in einen ernstgemeinten Dialog mit den Kunden treten. Zuhören ist dabei wichtiger als Mitreden, Reagieren wichtiger als Eigenlob.

Doch die Technik ist nicht das Problem. Die wahren Defizite liegen im vernetzten Denken. Sie stellen die eigentliche Ursache für den zögerlichen Einsatz von Informationstechnologie und Internet in mittelständischen (und übrigens auch in vielen großen) Unternehmen dar. Es sei die These gewagt, dass mit intensiverer Nutzung heutiger Technologien eine viel stärkere Verzahnung aller Geschäftsprozesse in einem Unternehmen und zwischen verschiedenen Unternehmen möglich wäre, wenn Unternehmer und Manager ihre Fähigkeit, vernetzt zu denken, entwickeln und verbessern würden.

Das Unternehmen von morgen wird ganz anders sein als heute. Digitalisierung und Vernetzung zwingen Unternehmen dazu,  sich anzupassen. Wer dazu nicht bereit ist, der koppelt sich selbst von seinen Kunden ab und damit von den Märkten von Morgen.

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