Warten auf den „Sechsten Kondratjew“

Der russische Ökonom Nikolai Kondratjew (1892-1938) entwickelte die Theorie der zyklischen Wirtschaftsentwicklung, die er „Langwelle-Theorie“ nannte. Demnach setzen immer wieder wichtige neue Schlüsseltechniken, die er „Baisi-Innovationen“ nannte, längere Wachstumsphasen in Gang, die von dieser Technik dominiert und geprägt wird. Als erste solche Phase in der Neuzeit identifizierte er  die Periode Frühmechanisierung, die er eng mit der Erfindung der Dampfmaschine verband und die etwas von 1780 bis 1850 dauerte. Ihm folgten die Periode der Eisenbahnen, die in etwa mit der deutschen Gründerzeit zusammenfiel (1840 bis 1890) und die Periode der Elektrotechnik und Schwermaschinen (ab 1890). Solche Langwellen, so behauptete Kondratjew, folgen im Abstand von ungefähr 50 Jahren und gehen zu Ende, wenn die betreffende Basis-Innovation nicht mehr genügend Schwung erzeugt, um alleine die Wirtschaft in Gang zu halten.

Kondratjew wurde 1938 auf Geheiß Stalins eingesperrt und ermordet, seine Theorie wurde aber von anderen Wirtschaftstheoretikern wie dem Österreicher Joseph Schumpeter (1883-1950) fortgeführt und weiterentwickelt. Sie identifizierten zwei weitere Großzyklen, nämlich die Periode der so genannten „Einzweck-Automatisierung“, die von integrierten Schaltkreisen, Kernenergie und dem massenwiese Aufkommen des Automobils zusammenhing und etwa bis 1950 dauerte sowie die Periode der  Informationstechnik, die durch das Aufkommen und die Verbreitung des Computers in der Wirtschaft ausgelöst wurde.  Dieser Zyklus, davon gehen die meisten Forscher aus, nähert sich bereits ihrem Ende und wird demnächst vom „Sechsten Kondratjew“ abgelöst werden. Spekulationen darüber, welches die Basis-Innovation sein werden, sind ein beliebter Freizeitvertreib unter Ökonomen, als mögliche Kandidaten gelten die Biotechnologie, die Kernfusion oder „psychosoziale Gesundheit“.

Andere wie etwa Wolf-Ingomar Faecks, Deutschlandchef des global tätigen Marketing- und Technologie-Dienstleisters SapientNitro, sehen im Internet die treibende Kraft für die nächste Langwelle. „Das Internet ist viel mehr als nur ein Wurmfortsatz der IT-Technik“, sagte er mir kürzlich beim CeBIT-Presseforum. Sie nutzt Computer, aber die Computer selbst sind dabei unwichtig. Es geht vor allem um die massive Veränderungen in der Kommunikation und in den Unternehmensprozessen. Die sind das Nachhaltige am Internet.“ Wird der Sechste Kondratjew also am Ende das neue Internet-Zeitalter sein? Eine spannende Frage…

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