Warum Apple stirbt und warum mich das freut

Hübscher Briefbeschwerer

Hübscher Briefbeschwerer

Selten hat ein Post von mir auf Facebook eine so kontroverse Diskussion ausgelöst wie mein Kommentar über die Zukunft von Apple. Klar: Apple ist keine Firma, sondern eine Religion, jedenfalls für diejenigen, die an die Wiedergeburt von Steve Jobs glauben. Mein Text war wiederum eine Reaktion auf eine Antwort von Scott Entwistle auf die Frage eines Quora-Nutzers, nämlich: „Stirbt Apple?“ Interessant, wie sich solche Diskussionen durchs Social Web zu schlängeln scheinen.

Scott hat lange als Verkäufer in einem Apple-Laden gearbeitet und bezeichnet sich selbst immer noch als Fan. Aber seine Analyse war bezeichnend: „Wenn du mit ‘sterben’ meinst, dass sie nicht mehr innovativ sind, dann denke ich, du hast recht: Ja, sie sterben.”

Es folgte eine lange Liste von Fehltritten, die Apple seit dem Tod des Messias – Verzeihung, von SJ – begangen haben soll und kulminiert in dem Satz: „Ich habe das Gefühl, sie wissen nicht mehr, was ihre Kunden wollen.“

Was für ein Hohn!

Apple hat sich noch nie einen Dreck darum geschert, was ihre Kunden wollen. Sie haben einfach das gemacht, was ihre Entwicklungsingenieure gut fanden, und wem das nicht passte, der konnte ja woanders hingehen!

Was mich zu meiner „umgekehrten“ Apple-Bekehrungserlebnis bringt, nämlich dem Moment, als ich mir geschworen habe, nie wieder ein Produkt aus dem Hause Apple zu kaufen.

Ja, auch ich war mal Mitglied in der Apple-Sekte. Aber das hat sich 1994 ganz schnell geändert.

Ich war seit zwei Jahren Besitzer des schönsten Laptops, der bis dahin je gebaut wurde, nämlich der Apple PowerBook Duo. Das Ding war für die damalige Zeit flach wie eine Flunder und strotzte vor grauem Plastik-Understatement. Wir Duo-Besitzer trugen ihn wie eine Trophäe unterm Arm umher, und wenn man sich auf der Straße oder im Flughafen traf, dann grinste man sich gegenseitig an voller  Stolz und Mitleid gegenüber anderen, minderbemittelten Laptopbesitzern.

Der Duo war damals schon ein Minimalist: Kein CD-Laufwerk, keine Leiste von Anschlussbuchsen. Man hatte daheim eine Dockingstation, in die das Gerät verschwand, als steckte darin ein kleiner Japse oder Chink, der es reinzog und verschwinden ließ. Gut, das Ganze war nicht billig. Unter Brüdern konnte man ganz schnell 5000 D-Mark oder noch mehr für eine komplette Duo-Ausrüchtung hinlegen, aber hey: dafür war man ja Elite!

Ja, sowas passiert im Kopf von Menschen, die dem Sektenglauben der Appelianer verfallen sind. Ich weiß, wovon ich rede.

Aber dann kam der Tag, an dem Apple ein Update des damaligen Betriebssystems 7 ankündigte. Es war kein großes Update, eher ein Zwischenschritt. Ich glaube, es trug die Nummer „7.4“ oder 7.5“.

Jedenfalls war es wichtig, sich das Update zu besorgen, weil sonst einige Programme und Peripheriegeräte nicht mehr funktionieren würden. Also rief ich beim Apple-Kundendienst an und bekam einen freundlichen jungen Mann ans Telefon, der mich nach meinem Anliegen fragte. Es entspann sich folgender Dialog:

Ich: „Hi, ich brauche das Update“.

Er: „Gerne, was hast du denn für eine Maschine.“

Ich (stolz): „Ein Duo!“

Er: „Oh, schade. Dafür wird es leider kein Update geben.“

Ich: „—?“

Der junge Mann merkte wohl, wie hart mich diese Nachricht traf, also versuchte er, den Schmerz durch einen kleinen Witz zu lindern.

Er: „Na, ist nicht so schlimm. Sie können ihn ja immer noch als Briefbeschwerer verwenden…“

Das war übrigens der Tag, an dem ich rausging und meinen ersten Windows-Laptop kaufte. Und ich habe es seit fast einem Vierteljahrhundert nie bereut.

Worauf ich aber hinaus will: Das ist typisch für Apple. Sie machen ihr Ding, ohne Rücksicht auf Verluste. Das geht so lange gut, wie es eine eingeschworene Truppe von Anhängern gibt, die fest an den Mythos glauben und die bereit sind, sich Apple und seinen Produkten anzupassen statt umgekehrt. Sie sind auch nicht enttäuscht, wenn Apple sie wieder einmal zwingt, ihre alten Kabel und Zusatzgeräte wegzuschmeißen und alles neu zu kaufen. Denn was Apple tut ist ja Fortschritt.

Scott Entwistle bringt das Problem aber gut auf den Punkt: “Das meiste, was sie heute tun, besteht aus schrittweisen Updates, und ich habe ehrlich gesagt das Gefühl, dass sie im Nebel rumstochern auf der Suche nach etwas, das funktioniert. Es gibt keinen Steve Jobs mehr, der Features vorantreibt, die niemand haben will, bis wir plötzlich alle merken, dass wir sie lieben. Es ist nur noch eine Firma, die herumtorkelt auf der Suche nach etwas, an das sie selbst nicht so recht glauben.“

Einer meiner Facebook-Freunde, Oliver Marquard, der sich selbst als „Marketingphilosoph“ bezeichnet, hat es kurz und drastisch formuliert: „Apple ist eine toxische Marke, die sich hinter schicken Produkten versteckt und längst vom Markt getilgt sein müsste.“ Er hat ja so Recht…

Warten wir es ab. Selbst wenn sie kein einziges Produkt mehr verkaufen, reichen die Bargeldreservern für mindestens vier Jahre. Und wer weiß: Vielleicht steigt SJ ja wieder zu uns herab und beschert und Friede, Freude und iKuchen.


Full disclosure: Ich bin vor drei oder vier Jahren weich geworden und habe mir einen iPad gekauft, weil ich mir gesagt habe, du musst wissen, worüber die Leute alle so schwärmen. Ich habe es immer noch, aber es ist inzwischen so langsam geworden, dass man es fast nicht mehr vernünftig verwenden kann. Apple wird ja immer wieder vorgeworfen, ihre Geräte so zu bauen, dass sie nach drei bis vier Jahren nicht mehr funktionieren und ersetzt werden müssen. „Planned obsolescence“ nennt man das. Es würde mich überhaupt nicht wundern.


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