Wer schützt uns vor den Rating-Clowns?

Die Welt, durch die S&P-Brille betrachtet (Quelle: Datablog)

Es wäre witzig, wenn es nicht so traurig wäre, aber der „Schwarze Montag“, der gestern zum weltweiten Absturz an den Börsen geführt hat, ist auf ein Rechenfehler zurückzuführen. Wie der Kolumnist und Wirtschafts-Nobelpreisträger Paul Krugman in der heutigen Ausgabe der New York Times verrät hatte die Ratingagentur Standard & Poor’s den Pressetext, mit dem sie die Herabstufung der amerikanischen Regierungsanleihen bekannt gaben, vorher zum Gegenlesen an ein paar hohe Beamte des Wirtschaftsministeriums geschickt, die sofort auf einen ziemlich plumpen Rechenfehler stießen. Es ging um die Kleinigkeit von zwei Trillionen (oder, wie man in Deutschland rechnet, Billionen) Dollar, um die S&P versehentlich die Staatsschulden zu hoch angesetzt hatten. Die Agenturfutzis lösten das Problem auf die denkbar eleganteste Weise, indem sie die entsprechende Passage aus dem Pressetext raus strichen.

Was uns allen eigentlich Anlass geben sollte, nochmal über den Bockmist nachzudenken, den uns die großen Ratingagenturen in der Vergangenheit beschert haben. Sie haben Lehman Brothers bis kurz vor der Pleite standhaft als „Triple A“ eingestuft. Sie haben den großen stinkenden Bündel fauler Hypotheken, die von kriminellen Bankern aus fahrlässig vergebenen toxischen Krediten zusammengeschürt worden sind, mit Höchstnoten behübscht. Sie haben damit die Weltwirtschaftskrise von 2007/2008 nicht nur beschleunigt: Sie haben sie ausgelöst.

Jetzt nehmen diese skrupellosen Dilettanten das größte Land der Erde als Geißel, und das Schlimme ist: Sie kommen damit sogar durch. Anstatt sie der Lächerlichkeit preiszugeben, beten die Wirtschaftsjournalisten mit besorgten Mienen den Mist nach, den S&P aus seiner Jauchegrube zieht, und die Zocker an den Börsen reagieren reflexartig, indem sie auf den Knopf „Verkaufen!“ drücken.

Die Ratingagenturen haben sogar mehr Schuld auf sich geladen als die Investmentbanker an der Vertrauenskrise, und das will wirklich etwas heißen. Dass die Politiker, in Sachen Wirtschaft ahnungslos wie immer, sich von S&P, Moody’s, Fitch und  A.M. Best an der Nase herumführen lassen, überrascht dagegen kaum. Wenn schon gestandene Investoren den Stuss glauben, den die selbsternannten Gralshüter der Kreditwürdigkeit tagaus, tagein verzapfen, wie soll eine studierte Physikerin wie Angela Merkel oder ein Politikwissenschaftler (eigentlich ein Widerspruch in sich…) wie Nikolas „Speedy“ Sarkozy noch mitkommen?

„Amerika wird immer ein Triple A-Land sein“, hat Barak Obama gestern gesagt. Nun, der ist auch nur Jurist, aber ansonsten ein ganz kluges Kerlchen. Er weiß (auch wenn er es nicht laut sagt angesichts des politischen Killerklimas in den USA), dass Amerikas Problem nicht die Staatsschulden sind, denn die sind ziemlich harmlos im Vergleich zu vielen anderen Industrienationen. Laut Weltbank betrug die Auslandsverschuldung der USA letztes Jah 95 Prozent des Bruttosozialprodukts; Deutschland kam auf 142 Prozent, die ach so stabile Schweiz auf 222 Prozent!

Das Problem Amerikas ist die Arbeitslosigkeit, und die Trickbetrüger von S&P haben gerade wieder dafür gesorgt, dass die noch ein Tick schlimmer wird.

Was tun? Nun, man könnte versuchen, die Weltherrschaft der amerikanischen Ratingagenturen zu brechen, indem man ihnen ein europäisches Pendant entgegen setzt, wie es Merkel und andere EU-Politiker fordern. Man könnte sie verstaatlichen, wie es Andrew Leonhard im Online-Magazin Salon vorgeschlagen hat. Oder man könnte die Triple A-Einstufung gesetzlich verbieten, wie es Felix Salmon von Reuters in seinem Blog fordert.

Oder man könnte das Problem ganz einfach lösen: durch Ignorieren. Warum hören wir diesen Clowns überhaupt noch zu? Nun, so einfach ist das leider nicht, wie der gestrige Börsentag eindrucksvoll beweist. Und so bleibt einem nur der Rückgriff auf den alten Seneca und die fast verzweifelt klingende Frage: Wer beschützt und vor den Beschützern?

 

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