Yu es pi? Yu mi aa!

Manchmal entspinnen sich auf Facebook Dialoge mit einer so überwältigenden Komik, dass der Tag eigentlich schon seinen goldenen Stern auf die Stirn verdient hat, bevor er überhaupt losgegangen ist. Man braucht dazu nur die richtigen FB-Freunde, die erstens Hirn haben und zweitens einen Sinn für sinnfreies Blödeln.

So einer ist mein Freund Michael Kausch – Verzeihung: Doktor Michael Kausch. Er ist an die Frankfurter Schule gegangen, weigert sich aber, seinen Titel zu führen, was für mich eine Art Doppelsnobismus ist, denn erstens weiß natürlich in seinem Umfeld jeder, dass er ihn hat, denkt aber: „Mensch, ist der Michael aber egalitär – will sich nicht mit seinem Titel über andere stellen.“

Jedenfalls ist Michael im Bereich von Werbung und PR unterwegs, und dort gibt es eine Abkürzung, die jeder kennt und verwendet, wenn er ein Produkt oder eine Dienstleistung besonders fein herausputzen will, nämlich „USP“.

Heute Morgen hatte Michael offenbar, genau wie ich, nichts Besseres zu tun, also warf er in einem FB-Post die folgende Frage in den Raum: „Schreibt Ihr eigentlich ‚der‘ USP oder ‚die‘ USP oder ‚das‘ USP?“

Er liegt natürlich mit „der“ und „das“ voll daneben, denn die korrekte Übersetzung von „proposition“ ist die gute, deutsche „Präposition“, und die ist natürlich feminin. „Die“ USP, kapiert?

Nun verfügt Michael aber über eine ganze Menge von Freunden, die alle auf Facebook sind, die alle morgens nichts Besseres zu tun haben und die alle über seinen etwas schrägen Sinn für gehobenes Blödeln verfügen, und so entspannt und entspinnt sich vermutlich weiter ein wunderbarer Diskussionsfaden, an dessen Anfang Eckhart Boehme erst einmal Kontra gibt: „Ich benutze immer ‚das USP‘, eben wegen deiner Übersetzung mit ‚Versprechen‘.

Michael findet das gut und lobt: „Das bezeugt schon mal deine Souveränität gegenüber dem Duden und ist im Sinne einer Demokratisierung der Rechtschreibung sicherlich zu befürworten.“

Das wollen aber viele nicht stehen lassen. „Der, ohne wenn und aber“, schreibt Reinhard Anton. Joachim Graf ruft mit sonorer Stimme: „Der Punkt“. Und dann wird es immer schräger.

Michael Praschma setzt sogar zu einer basisgrammatikalischen Kurzvorlesung cum Publikumsbeschimpfung an: „DA GIBTS ÜBERHAUPT KEINEN ZWEIFEL NICHT: Das Geschlecht bestimmt sich nach dem bestimmenden Substantiv, und das ist in beiden Fällen, wenn man USP quasi als Kompositum nimmt (was denn sonst), das englische (!!!) Wort Point bzw. Proposition. Die Ermittlungen laufen dann nach dem Ausschlussverfahren: Die oder das Point ist unmöglich, ebenso der oder das Proposition. Was übrigbleibt, brauche ich wohl nicht mehr auszuführen. MANN. Das ist doch nicht so schwer hier, aber echt jetzt. Den Texter fragen.“

Ab da gibt es kein Halten mehr. Michael wird albern: „Das USP des UPS ist, dass er immer mal wieder LPs für meine ESP bringt.“ Thomas Friedbichler wird pragmatisch: „Ich suche mind. 2 USPs und verwende den Plural.“ Christian Sa flüchtet sich ins Angelsächsische: „Deswegen mache ich alles auf Englisch… da isses ‚the‘.“ Woraufhin Ralph Machholz das Thema wechselt:

Dazu fällt mir dann der gute alte Mark Twain ein, der einmal mehrere Wochen lang in Heidelberg einen Deutschkurs besucht hat und sich deshalb als Autorität zum Thema Deutsche Sprache empfand. In Innocents Abroad schrieb er als Anhang eine Abhandlung darüber, die er mit der Überschrift versah: „The Awful German Language“ und in der er die traurige Geschichte von „The fishwidfe and its sad tale“ erzählt. Das schreiend Komische an der Geschichte besteht darin, dass „Weib“ im Deutschen sächlich ist, obwohl ein Fishweib nolens volens eine Frau ist. Überhaupt findet es Twain merkwürdig, dass sich eine Frau ihren weiblichen Status erst durch Heirat verdienen muss, sonst bleibt sie eine Sache („das Mädchen“, „das Weib“).

Sie sehen: Eine solche Facebook-Diskussion führt meistens auf sehr verschlungenen Wegen zu völlig unerwarteten Erkenntnissen, die meistens gar nichts mit dem ursprünglichen Thema zu tun haben. Aber das ist ja gerade das Schöne.

Inzwischen hat sich im Hauptstrang ein Streit um die Herkunft des Wortes entzündet, angeführt von Wolfgang Gruener, der sich aus dem fernen Illinois zu Wort meldet und deshalb offenbart auf einer QWERTY-Tastatur schreibt:

Das ist für mich als Amerikaner natürlich eine Steilvorlage: „DIE Präposition! Und da es, wie andere auch angemerkt haben, eine deutsche Erfindung ist, folgt sie der deutschen Grammatik!“

Das aber wollen andere nicht schlucken. Helmut Achatz, zum Beispiel, der versucht, mich mit meinen eigenen Waffen zu schlagen:

In dem Moment beschließe ich, etwas zu tun, auf das offenbar keinem von Michaels zwar klugen und komischen, aber ansonsten offenbar ziemlich recherchefaulen Freunden am frühen Vormittag gekommen sind, nämlich endlich mal die Herkunft der Abkürzung „USP“ zu erkunden. Nicht, dass ich mich dabei überanstrengen muss: Einmal „USP Herkunft“ bei Google eingeben, und schon stoße ich auf den Wikipedia-Eintrag von Rosser Reeves. Der war, wie ich dort erfahre, so eine Art Werbepapst im Amerika der 40er und 50er Jahre und gilt als der Erfinder der Fernsehwerbung.

1940 arbeitete er für die Werbeagentur Ted Bates in New York, und dort war es ihm offenbar ein Anliegen herauszuarbeiten, warum ein Konsument ein beworbenes Produkt erwerben soll und nicht das des Konkurrenten. Er erfand dafür den Begriff Unique Selling Proposition, kurz USP. Das mit dem Punkt ist also tatsächlich eine spätere, rein deutsche Erfindung und hat eigentlich nichts mit dem ursprünglichen Begriff zu tun. Bei uns wurde so etwa um diese Zeit herum der Begriff des „Alleinstellungsmerkmals“ geprägt. Leider gibt das Deutsche meistens keine coolen Abkürzungen her, die man sich gut merken kann. Oder was halten Sie von „AMM“?

Aber irgendwann muss auch mit der Facebook-Blödelei mal Schluss sein. Schließlich ruft ernsthafte Arbeit. Und so habe ich meine neue Erkenntnis über den USP-Stammbaum verwendet, um ein Machtwort zu sprechen:

Und da war es plötzlich still. Aber sicher nicht für lang. Merke: Auf Facebook geht das Blödeln immer weiter.


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