Marathonlaufen als Shoppingtour

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Marathonlaufen als Einkaufsbummel

Mein Freund und Kollege Jupp Suttner gilt als Frauenliebling. Ehrlich gesagt, ich verstehe es nicht ganz, denn er ist von eher kurzer Gestalt und wie ich auch nicht mehr ganz der Jüngste. Aber Schönheit liegt bekanntlich im Auge des Betrachters, und überhaupt: Wer versteht schon die Frauen?

Jedenfalls verdanke ich ihm die Erkenntnis, dass die Frauen dabei sind, eine weitere Männerbastion einzunehmen, nämlich den Marathonlauf. Jupp machte früher die Pressearbeit für den München-Marathon, und da flatterte mir seine Meldung ins elektronische Postfach, wonach der Frauenanteil unter den Startern bei den großen Dauer-Läufen steigt und steigt: In Berlin und München soll sie schon um die 20 Prozent betragen, in New York 32,6%, in Honolulu sogar 47,5%.

Der gute alte Philippides (der wahrscheinlich Thersippos hieß, oder vielleicht Eukles, da sind sich die historischen Quellen nicht ganz einig) würde sich heute vermutlich im Grabe drehen bei dem Gedanken, dass die Frauen ihm und seinen Geschlechtsgenossen langsam den Rang ablaufen. Herodot schweigt sich sogar ganz aus über die Legende von angeblichen Boten, der 490 v. Ch. die frohe Kunde vom Sieg über die Perser vom Fischerdörfchen Marathon nach Athen brachte, also wurde die ganze Geschichte vermutlich im 4. Jahrhundert einfach erdichtet

Ein bisschen abenteuerlich fand ich Jupps Ableitung. Frauen finden Marathon angeblich vor allem deshalb sexy, weil sie beim Laufen die Augen aufhalten. Als „Genußläuferinnen“, so zitiert Jupp den ehemaligen Olympiateilnehmer und Marathon-Experte Manfred Steffny, würden sie weitaus mehr wert legen auf das Rahmenprogramm sowie auf „das, was die Stadt sonst noch zu bieten hat.“

Und das sind für sie nicht etwa die strammen Wadeln der männlichen Marathonis, sondern vor allem die Einkaufsmöglichkeiten vor und nach dem Lauf. „Laufen & Shoppen“ lautet jedenfalls, so Jupp, die Devise.

Nun, da die Rennen meist am Sonntag stattfinden, sind die Einkaufsmöglichkeiten eigentlich eher begrenzt. Aber ich kann bestätigen, dass meine Frau deshalb früher gerne mit zu den Läufen fuhr, weil wir meistens ein oder zwei Tage vorher anreisen, und da wird die Kreditkarte dann schon ein wenig überstrapaziert. Aber dafür lief sie auch nicht selber mit, sondern stand nur am Streckenrand und feuerte mich an.

Das gilt vermutlich nicht für die Spitzenläuferinnen. Die sind voll und ganz aufs Laufen konzentriert. Aber für die vielen Tausend Hobbyläuferinnen könnte Steffny schon recht haben: Für die ist der Marathon auch eine Art Shoppingtour!

Das ist jetzt schon ein paar Jahre her, dass ich meinen letzten Marathion gelaufen bin. Heute zwingt mich ein Rückenwirbelschaden, Marathon eher als Zuschauersport zu betrachten. Aber es hat mich schon erstaunt, mit welcher Selbstverständlichkeit Jupp so etwas behauptet hat. Ich dachte jedenfalls, solche Unterstellungen würden mittlerweile als sexistisch gelten, auf jeden Fall aber als politisch unkorrekt. Ich höre meine Damen – Mutter und Tochter sind sich da immer schnell einig – schon  „Stereotyp!“ und „Macho!“ rufen.

Aber Jupp darf das, denn er ist ein Frauenliebling. Und die Frauen finden es auch noch nett. Was hat er, was ich nicht habe? Ich werde meine Frau mal fragen…

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