Der nächste KI-Winter kommt bestimmt

AI Winter: The Reality Behind Artificial Intelligence History

In seinem 1905 erschienenen Buch „The Life of Reason“ schrieb der spanisch-amerikanische Philosoph George Santayana: „Wer sich nicht an die Vergangenheit erinnern kann, ist dazu verdammt, sie zu wiederholen.“ Winston Churchill verkürzte diesen Satz später zu „Wer aus der Geschichte nichts lernt, ist dazu verdammt, sie zu wiederholen“, aber sie bedeuten im Grunde dasselbe.

Die  Branche täte gut daran, sich an Santayanas Worte zu erinnern angesichts des  völlig überhitzenden Marktes für Künstliche Intelligenz die wir gerade durchleben. Die Angst vor der „KI-Blase“ ist an der Wall Street schnell zurückgekehrt. Anleger trennen sich dort panikartig von KI-Aktien und neue Käufer gibt es nicht. Aber das ist nichts Neues.

Wir haben viele Boom- und Bust-Zyklen durchlaufen, angefangen mit der Tulpenmanie in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts über die Eisenbahnmanie in den 1840er Jahren bis hin zur Weltwirtschaftskrise, die 1929 begann.

In unserem Leben, oder zumindest in meinem, war die „Dotcom-Blase“, auch bekannt als „Internet-Blase“, der Inbegriff einer Phase spekulativer Manie, die die Bewertungen von US-Technologieaktien Ende der 1990er Jahre in schwindelnde Höhen trieb. Ich erinnere mich noch genau an einen Redner bei einer Veranstaltung, bei der ich ebenfalls auftreten sollte, der sagte, dass die Dotcoms nicht untergehen könnten, weil sie bereits zu groß seien, um zu scheitern.

Angetrieben von der Begeisterung für internetbasierte Unternehmen erlebten die Aktienmärkte Ende der 1990er Jahre ein exponentielles Wachstum. Die Überbewertungen stiegen sprunghaft an. Zwischen 1995 und 2000 verfünffachte sich der Nasdaq-Index und erreichte im März 2000 seinen Höchststand, bevor er bis Oktober 2002 um fast 77 % einbrach.

Profite machen galt in dieser Zeit als jungmädchenhaft: Was zählte war Reichweite, die Zahl der gewonnen Kunden, die allerdings nichts für diese digitalen Dienste bezahlen mussten. Geld würde man morgen verdienen, wenn irgendjemand herausgefunden hat, wie das ginge.

Viele Start-ups gingen in dieser Zeit an die Börse und sammelten trotz fehlender tragfähiger Geschäftsmodelle beträchtliches Kapital ein, was schließlich zum Zusammenbruch des Marktes führte, als die Investitionsmittel versiegten. Dotcom-Unternehmen, die eine Marktkapitalisierung in Höhe von mehreren hundert Millionen Dollar erreichten, wurden innerhalb weniger Monate wertlos.

Das Platzen der Dotcom-Blase führte zu massiven finanziellen Verlusten für Investoren, wobei mehrere namhafte Technologieunternehmen über 80 % ihres Marktwertes verloren. Der Höhepunkt war der  „Mega Merger“ von AOL/Time Warner im Januar 2000, der zum größten Fusionsflopp der Geschichte wurde.

Es dauerte 15 Jahre, bis der Nasdaq am 24. April 2015 sein vorheriges Hoch wieder erreichte. In der Zwischenzeit verflüchtigten sich Investitionskapital in Höhe von Billionen Dollar.

Warum erzähle ich diese Geschichte? Denken Sie an das alte Sprichwort: „Wer hoch steigt, muss tief  fallen“.

Und denken Sie an den aktuellen Hype um KI, und Sie werden erkennen, dass sich genau das gleiche Muster abzeichnet. Es vergeht kein Tag, an dem nicht Hunderte von E-Mails von KI-Unternehmen und ihren Pressevertretern meinen Posteingang bis zum Bersten füllen, in denen alle eine großartige neue Innovation ankündigen, die die Welt auf den Kopf stellen wird – nicht heute, aber morgen ganz bestimmt!

In der Zwischenzeit verzeichnen Chiphersteller wie Nvidia Traumgewinne. Gerade gab das Unternehmen, das die für den Boom der künstlichen Intelligenz unverzichtbaren Computerchips herstellt, einen Anstieg des Umsatzes im letzten Quartal auf 57 Milliarden US-Dollar bekannt. Vor ein paar Wochen wurde Nvidia das erste börsennotierte Unternehmen der Welt mit einem theoretischen Wert von mehr als 5 Billionen Dollar. Ich muss kein Prophet sein, um Ihnen zu sagen, dass dieses Kartenhaus in naher Zukunft zusammenbrechen muss.

Tatsächlich wird es für KI der dritte Zyklus sein Die Entwicklung der KI war geprägt von einer ganzen Reihe  solcher Hoch- und Tief-Phasen, wobei letztere oft als „KI-Winter“ bezeichnet werden. Damit wird eine Phase beschrieben, in der die Finanzierung und das Interesse an der Forschung im Bereich der künstlichen Intelligenz zurückgingen. Der Begriff leitet sich von der Vorstellung ab, dass diese Phasen wie der Winter kalt und trostlos sind und durch einen Stillstand des Fortschritts in der KI-Branche gekennzeichnet.

Die meisten 1980er Jahre waren geprägt von einem rasanten Wachstum und Interesse an KI, das heute als „KI-Boom” bezeichnet wird. Dies war sowohl auf Durchbrüche in der Forschung als auch auf zusätzliche staatliche Mittel zur Unterstützung der Forscher zurückzuführen. Deep-Learning-Techniken und der Einsatz von Expertensystemen wurden immer beliebter, da beide es Computern ermöglichten, aus ihren Fehlern zu lernen und unabhängige Entscheidungen zu treffen.

Der erste KI-Winter kam aufgrund einiger Rückschläge auf dem Maschinenmarkt und bei Expertensystemen zustande, darunter das Ende von Fifth Generation-Projekte, Kürzungen bei strategischen Computerinitiativen und die Enttäuschung über Expertensysteme.

Trotz der fehlenden Finanzierung während des KI-Winters gab es Anfang der 90er Jahre einige beeindruckende Fortschritte in der KI-Forschung, darunter die Einführung des ersten KI-Systems, das 1996 einen amtierenden Schachweltmeister schlagen konnte. In dieser Zeit gab es auch erste Beispiele für KI-Agenten in der Forschung sowie die Einführung von KI in den Alltag durch Innovationen wie der ersten Roombas und die erste kommerziell erhältliche Spracherkennungssoftware für Windows-Computer.

Auf das gestiegene Interesse folgte ein Anstieg der Forschungsgelder, wodurch noch größere Fortschritte erzielt werden konnten.

Der zweite KI-Winter begann mit dem plötzlichen Zusammenbruch des Marktes für spezialisierte KI-Hardware. Er gipfelte in Kürzungen der DARPA bei der akademischen KI-Forschung im Allgemeinen.

Die Ursachen waren vielfältig, aber im Allgemeinen benötigten die zu dieser Zeit beliebten Expertensysteme eine große Menge an Daten, um die von ihrer Inferenzmaschine verwendete Wissensbasis zu erstellen, und leider war Speicherplatz in den 1980er Jahren teuer. Obwohl PCs in diesem Jahrzehnt zunehmend Verbreitung fanden, verfügten sie 1986 über höchstens 44 MB Speicherplatz. Zum Vergleich: Eine 3-minütige MP3-Musikdatei hat eine Größe von etwa 30 MB. Man konnte also nicht viel auf diesen PCs speichern.

Informatiker erklärten diese Unfähigkeit der KI, mit realen Problemen umzugehen, mit dem Qualifikationsproblem. Es besagt, dass es keine Möglichkeit gibt, alle möglichen Ergebnisse und Umstände vorherzusagen, die den Erfolg einer Aktion verhindern, aber das System muss sich dennoch von diesen unerwarteten Fehlern erholen. Agenten, die in realen Umgebungen argumentieren, sind auf eine Lösung des Qualifikationsproblems angewiesen, um nützliche Vorhersagen zu treffen.

Das Ende des zweiten KI-Winters Ende der 1990er und Anfang der 2000er Jahre fiel mit dem Aufkommen neuer KI-Paradigmen zusammen, insbesondere des maschinellen Lernens und des Deep Learning. Diese Ansätze, die auf riesigen Datenmengen und Rechenleistung basieren, haben einen Großteil der Fortschritte in der KI in den letzten zwei Jahrzehnten vorangetrieben.

Das prägendste Beispiel war ChatGPT, ein Chatbot, das für den Alltagsgebrauch bestimmt war. Heute glaubt jeder, dass ChatGPT echte KI sei, was aber nicht stimmt. Das geht schon aus dem Namen hervor, denn „GPT“ bedeutet „Generative Pretrained Transformer“. Es kombiniert dies mit natürlicher Sprachverarbeitung, um menschlich anmutende Texte als Antwort auf Benutzerbefehle zu verstehen und zu generieren. Die Modelle werden anhand riesiger Datensätze trainiert und nutzen verstärkendes Lernen aus menschlichem Feedback, um ihre Genauigkeit und Sicherheit zu verbessern.

Fachleute sprechen oft etwas verächtlich von „Dumb AI“ – dumme KI, was an sich ein Widerspruch ist. Was ChatGPT tut ist im Grunde Deep Learning, also ein Teilbereich des Machine Learning. Dazu wird das System mit bereits existierendem Wissen gefüttert, die es anschließend mit unbekannten Daten vergleicht und analysiert. Der Vorteil gegenüber den alten Expertensysteme aus den 1980er Jahren liegt in dem erheblich reduzierten Trainingsaufwand. Da dieses Training weitgehend automatisch abläuft, hält sich der menschliche Aufwand in Grenzen. Doch echte Künstliche Intelligenz ist das aber nicht!

Was wir uns unter „strong AI“ vorstellen sind Maschinen, die ebenso klug oder noch intelligenter sind als Menschen. Solche Systeme gibt es nicht – oder zumindest noch nicht. Manche Experten gehen allerdings davon aus, dass wir vielleicht in 20 oder 30 Jahren so weit sein werden.

Doch dazwischen wird es noch mindestens einen KI-Winter brauchen. Zieht Euch also warm an!

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