Amerikas unchristliche Wiedererweckung

Annika Brockschmidt über die religiöse Rechte in den USA | chrismon

Was Trumps Amerika gerade durchmacht, ist keine religiöses Wiedererwachung, sondern eine Umkehr religöser Werte, eine fundamentalistische Intoleranz breite Teile der Amerikaner.

Ja, der stetige Rückgang des Christentums in Amerika scheint sich verlangsamt zu haben, ist vielleicht sogar zum Stillstand gekommen. Es gibt Hinweise darauf, dass insbesondere Männer der Generation Z zur Kirche zurückkehren und dass jüngere Generationen von Amerikanern mittlerweile regelmäßiger zur Kirche gehen als ältere Generationen.

Die Amerikaner waren gerade Zeugen, wie ein riesiges Stadion bis zum Rand mit Menschen gefüllt war, die bei einer Gedenkfeier, die teils Gottesdienst, teils politische Kundgebung war, um Charlie Kirk trauerten. Und diese Feier wurde in kleinerem Rahmen bei Mahnwachen in ganz Amerika wiederholt. Fox News berichtete, dass durchschnittlich 5,2 Millionen Menschen die Berichterstattung über Kirks Gedenkfeier verfolgten, wobei die Zuschauerzahl während der Rede von Erika Kirk auf 6,6 Millionen anstieg.

Nur: Charlie Kirk war Rassist! In seinem Podcast im Jahr 2023 sagte er: „Herumstreifende Schwarze gehen aus Spaß herum, um weiße Menschen anzugreifen.“

Kirk berief sich oft auf seinen christlichen Glauben, wenn er über Themen wie Islam, Geschlechterfragen und Abtreibung sprach. „Der Westen ist aufgrund des Christentums der beste Teil der Welt. Wir müssen zuerst Christus suchen, dann wird unser nationales und kulturelles Wiederaufleben ganz natürlich folgen. Damit Amerika großartig bleibt, müssen wir mehrheitlich christlich bleiben“, sagte er.

Er wurde 2023 auch des Antisemitismus beschuldigt, als er in seinem Podcast sagte, dass „jüdische Gemeinschaften genau die Art von Hass gegen Weiße schüren, von der sie behaupten, dass die Menschen sie ihnen gegenüber nicht mehr anwenden sollen”. Er fügte hinzu: „Es ist wahr, dass einige der größten Geldgeber linker, antiweißer Anliegen jüdische Amerikaner waren.”

Er hinterließ ein Vermächtnis aus Rassismus, Frauenfeindlichkeit und Ablehnung von Waffenkontrollen angesichts unserer anhaltenden und einzigartigen amerikanischen nationalen Krise der Waffengewalt. Und wurde dennoch von Millionen von Amerikaner fast wie ein Heiliger verehrt.

Fast gleichzeitig sprach Papst Leo XIV vor einer Gruppe von amerikanischen Bischöfen und katholischen Führern, die zu Besuch im Vatikan waren, und sagte: „Die Kirche wird Migranten weiterhin begleiten und ihnen zur Seite stehen“ – ein frontaler Angriff gegen Trump und seine „zero migration“ Politik.

Bei all dem Gerede über eine religiöse Erweckung im amerikanischen Evangelikalismus gibt es eine seltsame Diskrepanz. Die Evangelikalen mögen zwar an politischer Macht gewinnen, aber es gibt kaum Anzeichen dafür, dass sie auch an Frömmigkeit zunehmen.

Daten aus der Cooperative Election Study stellen den Schluß nahe, dass der Prozentsatz der selbsternannten amerikanischen Evangelikalen, die „selten” oder „nie” zur Kirche gehen, seit 2008 gestiegen ist. Im Jahr 2024 ging die Hälfte aller Evangelikalen einmal im Monat oder weniger zur Kirche.

Politischer Evangelikalismus kann ziemlich gottlos wirken. In den letzten zehn Jahren hat Donald Trump die Kultur der Kirche weitaus stärker beeinflusst als umgekehrt. Wenn ein Pastor bei einer „ReAwaken America“ Kundgebung erklärt, er sei „bereit, Satan und allen rassistischen Demokraten, die versuchen, unsere Lebensweise hier in den Vereinigten Staaten von Amerika zu zerstören, den Krieg zu erklären”, ahmt er Trump nach, nicht Christus.

Da fällt eine gewisse Parallelität zu den Rednecks auf, die sich gerade im ländlichen Südwesten Amerikas ausbreiten, arme Weiße, die für ihre Vorliebe zu Drogen, Sex und Waffengewalt bekannt sind. Auf „Redneck Mud Parks“ schwingen halbnackte Frauen ihre Hintern vor die meist männlichen Zuschauer, wird jede Menge billigen Whiskies gesoffen, und wo Trucks mit haushohen Reifen versuchen, ganze Bäume umzufahren. Sie haben die Geschmacklosigkeit zu einer Art Religionsersatz gemacht und suhlen sich in ihrem Proletentum.

Im Galaterbrief stellt Paulus die Frucht des Geistes dem gegenüber, was er als „Werke des Fleisches“ bezeichnet, also Sünden, die die Seele zerstören können. Zu diesen Sünden gehören genau die Eigenschaften, die die religiöse Revolution Amerikas kennzeichnen: „Feindschaft, Streit, Eifersucht, Wutausbrüche, egoistische Ambitionen, Zwietracht, Spaltungen“.

Die Früchte des Geistes – „Liebe, Freude, Friede, Langmut, Freundlichkeit, Güte, Treue, Sanftmut und Selbstbeherrschung“ – sind dagegen vorhanden, wenn Christus gegenwärtig ist. Das sind die Früchte einer echten Erweckung.

Erweckung kommt, weil Gläubige sich demütigen, ihre Sünden bereuen und dann voller echter Tugend aufstehen, um ihre Nächsten zu lieben – ihnen zu helfen, ihnen nicht zu schaden – und damit ihrer Nation zu heilen.

Wohlgemerkt: Ich sage das als lebenslanger Atheist und Kirchenfeind. Und trotzdem kann ich diese urchristlichen Werte nur unterstreichen und versuche, mein Leben daran auszurichten.

Davon ist bei den klerikalen Amerikanern aber leider nichts zu spüren.

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