Ein Computer zum Küssen

Ein Computer zum Küssen

In loser Folge wiederhole ich hier einige der beliebtesten Posts seit Beginn des Cole-Blog im Januar 1995. Dieser Beitrag erschien erstmals am 29.8.2012

computer screen kiss?

Technik kann Leidenschaft auslösen

Lieben Sie Ihren Computer? Ich meine: Lieben Sie ihn wirk­lich? Haben Sie ihn zum Beispiel so gerne, dass Sie ihm ge­legent­lich einen zarten Kuss auf den Bildschirm setzen würden? Dann sind Sie Ihrer Zeit voraus, jedenfalls laut Christian Lamprechter, Deutschlandchef von Intel, dem Halbleiter-Riesen, der uns so Dinge beschert hat wie Moore’s Law (verdoppelte Chipleistung alle 18 Monate), die „Wintel-Allianz“ mit Microsoft und den schon fast ubiquitären Werbespruch „Intel inside“.

Lamprechter ist eigentlich eher ein ruhiger, kopfgesteuerter Typ. So wirkt er jedenfalls auf mich. Kein feuriger Südländer, schon eher der kühle Klare aus dem Norden, der sein Gefühlsleben gut im Griff hat. Aber in seinem tiefsten Innern scheint wohl ein Vulkan zu brodeln.

Das wurde überdeutlich bei der Vorstellung der neuen ultra­flachen, ultraschnellen und folglich auch „Ultrabook“ genannten Laptop-Generation im Münchner Haus der Kunst. Nun ja, es sind ja auch schicke Teile, die kleinen Dinger, fast so schön wie die legendären Eierbücher von Apple, die bislang als das Non­plusultra in der Laptop-Couture galten. Toshiba, Acer, Dell, Samsung, Asus, Lenovo und Sony waren in München mit ihren neuesten Kreationen vertreten, die nur noch so flach sind wie ein Essteller (mit 15 mm nennt sich der „Aspire S5“ von Acer denn auch „the world’s thinnest ultrabook“) und teilweise in mo­dischen designerfarben glänzen – der Computer wird eben immer mehr zum Lifestyle-Accessoire.

Christian Lamprechter war von den schlanken Schönen so begeistert, dass er sich zu einem Ausspruch hinreißen ließ, der sofort zum Nachdenken anregte. Das seien nämlich „Computer zum Küssen!“ Später setze er sogar noch eines drauf, als er schwärmte: „Wir wollen den Computer mit all unseren Sinnen erfassen können.“

Abgesehen davon, ob wir das auch wirklich wollen, wirft diese Vision einige praktische Probleme auf. So erinnerte ich mich gleich mein fettverschmiertes Smartphone-Display. Ich trage mittlerweile stets ein Brillenputztuch bei mir, um mein Mobil­telefon abzuwischen, damit ich wieder etwas auf dem Bildschirm erkennen kann. Das muss ich ja dann wohl auch in Zukunft mit meinem Laptop-Bildschirm machen. Und was, wenn die Ultra­book-Besitzerin gerade ihren Lippenstift erneuert hat? Knutsch­flecke auf dem Computer werden ein Grund sein,  in Zukunft immer ein Fläschchen Makeup-Entferner mitzuführen.

Was die anderen Sinne angeht, mit denen ich in Zukunft meinen Computer erfassen soll, so steht die Entwicklung doch wohl eher am Anfang. Der Tastsinn ist das eine: Ein paar Streicheleinheiten am Tag müssten ja eigentlich auch genügen wenn erst mal die stürmischen Gefühlswallungen frischer Computerliebe der kom­fortablen Vertrautheit einer langjährig gewachsenen Zweierbe­ziehung gewichen sind. Aber was ist beispielsweise mit dem Ge­ruchsinn?

Nun, fragen Sie die Engländerin Jenny Tillotson. Die Forscherin an der University of the Arts in London arbeitet gerade an dem ersten interaktiven “Geruchs-Outfit” der Welt – Designer­klamotten, das Rezept für individuelle Parfüms aus dem Internet herunterladen und mittels eigens dafür entwickelte Mikrochips in Duftnoten umwandeln können. Die Halbleiterchips sind wie kleine Laborkästen aufgebaut und enthalten winzige Flüssig­keitsmengen, die miteinander kombiniert und über Düsen in der Damenoberbekleidung an die Umwelt abgegeben werden sollen. „eScent“ soll den Durchbruch und damit vielleicht neue Bedeutung bringen für den genervten Satz vieler PC-Besitzer: „Mein Computer stinkt mir!“

Ich wünsche mir jedenfalls einen Computer für den Geschmacks­sinn. Wir schön wäre es, wenn man sich mit Freunden zum Feierabendbier verabreden könnte, ohne aus dem Haus gehen zu müssen? Danach gebe ich meinem Computer einen kleinen Gutenachtkuss – und schalte ihn aus!

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