Der Alte von Cole’s Hill

Ich habe das große Glück, dass ein Ahn von mir, Ernst Byron Cole. der offenbar ein Genealogie-Freak war, 1908 ein dickes Buch geschrieben hat mit dem Titel „The Descendants of James Cole of Plymouth 1633“.

Da es schon immer in unserer Familie behauptet wurde, dass wir von selbigem James Cole abstammen, und dass der berühmte Felsen, Plymouth Rock, an dem die Pilgrims der Mayflower ihren ersten Fuß an nordamerikanisches Land gesetzt haben, einmal unserer Familie gehört habe, habe ich mir das Buch natürlich besorgt. Es ist eine ungeheure Fleißarbeit, die jede Generation von der allerersten bis zum Anfang des 20sten Jahrhunderts dokumentiert. Die Daten hat der gute Ernst Bryon teils aus alten Kirchenbüchern, teils aus den seit Gründung der Vereinigten Staaten alle zehn Jahre stattfindenden Volkszählungen gesammelt. Leider bricht das Buch genau da ab, wo bei mir der nachweisbare Stammbaum meiner amerikanischen Familie beginnt (meine Mutter war aus Deutschland, mein Vater ein US-Luftwaffenoffizier). Aber wie gesagt: Laut Überlieferung gibt es diese Verbindung.

James Cole war ein toller Typ. Er kam ursprünglich aus Devon, wohnte aber in Highgate, damals ein Vorort von London, und von ihm weiß man, dass er ein großer Blumenliebhaber war. Wahrscheinlich deshalb hat er Mary Lobel geheiratet, die Tochter des berühmten französischen Botanikers und Arztes Mathieu Lobel, der aus Lille stammte und der seinen Namen der Blume Lobelie gab.

James und Mary heirateten 1624, und ihre beiden ersten Kinder kamen vermutlich noch in London zur Welt. 1632 wanderte die Familie nach Maine aus, und 1633 zogen sie um nach Plymouth, das bereits 1620 von den „Pilgrim Fathers“ gegründet worden war. Er kaufte dort eine Farm am Ufer des Dorfs, zu dem eben auch der Küstenstrich gehörte, auf dem Plymouth Rock stand. Dieser Hügel heißt heute noch „Cole’s Hill“. Weshalb ich den guten James aber so sympathisch finde ist, weil er das erste „public house“ in Plymouth aufgemacht hat, wo er „strong waters“ verkaufte – sehr zum Missfallen der strenggläubigen Ältesten in Plymouth. Es gibt, das ebenfalls eine Familienüberlieferung, eine Geschichte, wonach ein Gast von James Cole einmal sturzbetrunken mit seinem Gaul die Treppe zum ersten Stock hochgeritten sein soll, und das ausgerechnet am Sabbat! Er und James Cole sollen zur Strafe einige Stunden am Pranger auf dem Dorfplatz verbracht haben.

Der gute Ernst Byron hat aber die Geschichte von James noch weiter zurückverfolgt in England, wo es ja noch viele sehr gut erhaltene Kirchenbücher gibt. Trotzdem gibt es natürlich Lücken, aber er vermutete, dass es eine dirkete Linie geben könnte zu einem gewissen Cole, der im Domesday Book, das Wilhelm dem Eroberer 1086 zusammenstellen ließ als Bestandaufnahme seines neu übernommenen Königreichs, und in dem es wörtlich heißt:

„William King greetes Walkesein Bishop, and Hugon de Port, and Edward Knighte, Steward and Algesiure, and Symon and Allfus, Porveiout and Cole and Arderne, and all the Barons in Hampshire and Wiltshire friendly…“

Der Autor versucht in seinem Wälzer auch, dem Ursprung des Familiennamens auf den Grund zu gehen, wobei er zwei Theorien beschreibt. Die eine geht davon aus, dass der Name vom lateinischen Coelus kommt, was so viel wie „eine heilige oder geheiligte Person“ bedeutet, also vermutlich ein Priester. Die andere ist, dass es vom lateinischen agricola stammt und meine Vorfahren deshalb Bauern waren.

Mir gefällt die Coelus-Theorie besser, denn so weit meine eigenen Unterlagen zurückreichen gab es unter meinen männlichen Vorfahren in den vergangenen 170 Jahren in jeder Generation mindestens einen und oft mehrere Pfarrer…

Ernst Byron hat auch herausgefunden, dass es einen Familienwappen gibt, der mindestens aus dem Jahr 1640 stammt, aber wahrscheinlich noch älter ist. Er zeigt einen „bull passent“ mit erhobenem Vorderhuf und trägt das Motto: Deum Cole, Regnum Serva. Ich wollte mir immer mal einen Siegelring machen lassen, bin aber nie dazu gekommen.

Ich habe das Buch vor etwa 30 Jahren in der New York Public Library entdeckt und war davon so fasziniert, dass ich es unbedingt besitzen wollte. Damals gab es dazu nur eine Möglichkeit: Das ganze Buch fotokopieren lassen! Das habe ich gemacht, und es steht heute bei mir im Bücherregal. Ich habe seinerzeit dafür 600 Dollar bezahlen müssen.

Inzwischen steht das Buch im Internet. Das Internet Archive hat es 2016 online gestellt, und jeder kann es kostenlos abrufen.

 

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