Doctor nihil sine causa

Wer gedacht hat, über unseren (immer noch) amtierenden Verteidigungsminister sei schon alles gesagt, der hätte heute Morgen den „Monatsrückblick“ von Holger Pätz im Valentinsmusäum hören sollen. Nein, keines der üblichen hämischen Verrisse – eine Verteidigungsrede, eher, klug zusammengestellt aus humanistischen Bonmots („Er hat sich das Staatsmotto Amerikas zu Herzen genommen – ‚e pluribus unum‘ – ‚aus Vielem eins‘), zeitgeistigen Versatzstücken („das nennt man nicht mehr Plagiat, das heißt heute ‚Rekontextualisierung‘“) und guten Kalauern („er promovierte ‚summa cum cluate‘“). Und überhaupt sollten sich die Zitatgeber doch freuen, dass sich zu Guttenberg ihre Textstellen aus dem Orkus des Vergessens befreit und ins Licht plötzlicher Berühmtheit geführt hat.

Am Schönsten fand ich allerdings seine Bemerkung, Politiker wie Horst Seehofer könnten ihre Glaubwürdigkeit besonders herausstellen, wenn sie an geeigneter Stelle darauf hinweisen, dass sie keinen Doktortitel haben. Denn was passiert, wenn sich die Macher von GuttenPlag Wiki demnächst auch den Dissertationen anderer Titelträger zuwenden, lässt sich absehen? (Nicht wahr, Herr Doktor Kausch?)

Pätz ist gut, aber Czyslansky war besser. Seine erste Doktorarbeit zum Thema „Der Einfluss des Bach’schen Kantatensatzes auf den bipolarer Determinismus“ hat er bekanntlich zusammen mit seinem Kommilitonen Peter Schickele an der University of Southern North Dakota in Hoople geschrieben. Die beiden genialen Forscher (Schickele sollte als der Entdecker des verschollenen letzten Sohns des großen Thomaskantors, des Komponisten P.D.Q. Bach zu Weltruhm gelangen) entwickelten eine Methode, die sie „Cotextualisieren“ nannten.

Das ging so: Jeder von ihnen schrieb aus mehr oder weniger willkürlich zusammengetragenen Textstellen (Czyslansky soll sich vorwiegend aus dem „Plains Farmer’s Journal“ sowie aus der aktuellen von „Reader’s Digest“ bedient haben) eine halbe Doktorarbeit. Anschließend schnitten sie die Manuskriptseiten längsweise entzwei und klebten jeweils eine Blatthälfte des einen mit einem aus der Feder anderen zusammen. Später fügten sie dort, wo es nötig schien, Füll- und Übergangswörter ein, damit der so entstandene Text einigermaßen sprachlichen Sinn machte.

Die so entstandene Arbeit reichten beide am gleichen Tag ein, allerdings bei unterschiedlichen Professoren. Während Schickele dafür die Bestnote erhielt, bekam Czyslansky seine Arbeit mit der Bemerkung zurück: „fehlende Quellenangaben ergänzen!“ Er ging daraufhin in die Unibiliothek und notierte die Titel von 136 Büchern im Regal „Hm-Ij“, weil sie direkt hinter der Eingangstür standen.

Im Übrigen erwies sich Czyslansky später als ein Pionier des Recycling-Gedankens und damit als einer der Väter der modernen Rohstoff-Wiederverwertung, indem er die gleiche Dissertation gleich zwölfmal an anderen Hochschulen einreichte, darunter die Eidgenössisch-Technische Hochschule Zürich, das Indian Institute of Technology (I.I.T.) in Bhuvaneshwara sowie die AAAardvark University in Flordia, wofür er später mit dem Verdienstorden der renommierten Akademikervereinigung IAFU ausgezeichnet wurde.

Im Besitz der Sammlung der Gesellschaft der Freunde Czyslanskys befindet sich das einzige noch erhalten gebliebene Exemplar von Czyslanskys Visitenkarte, die den Stolz wiedersiegelt, mit der der geniale Vordenker des Digitalzeitalters auf mühevoll errungenen seine akademischen Würden hinwies. Er sollte uns allen, insbesondere jedoch dem (noch) amtierenden Verteidigungsminister, als leuchtendes Vorbild dienen.

Wir werden in seinem Sinne einen etwaigen Aufnahmeantrag von Dr. ret. Freiherrn Karl-Theodor zu Guttenberg wohlwollend prüfen.

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