Digitales Wettrüsten wäre so ziemlich das Dümmste

Digitaler Nationalismus - tim@cole.deIch denke, man sollte sich nicht zu viel von künstlich intelligenten Systemen erwarten – aber auch nicht zu wenig! Richtig verstanden und angewendet, können KI, Mustererkennung, Maschinenlernen, Deep Learning und Predictive Analysis unsere Wirtschaft, unseren Handel, unsere Fertigungsindustrie, unsere Forschung und Entwicklung und alle anderen Aspekte der täglichen Unternehmenspraxis radikal verändern.

ChatGPT ist gerade in aller Munde, aber eigentlich ist  ChatGPT gar keine echte KI, sondern ein gutes Beispiel für etwas, das man Generative AI nennt. Es kann das ganze Internet in Sekundenschelle durchsuchen und eine allgemeine Zusammenfassung erstellen.

Was nicht heißen soll, dass Generative KI nicht eine echte Gefahr ist für einzelne Berufsgruppen, darunter auch meines. Es kann sehr überzeugend klingende Texte schreiben und damit eine ganze Generation von Schreibern arbeitslos machen. Journalisten, die ohnehin nur vom „Cut & Paste“ Journalismus  leben oder simple Texte wie Produktkataloge oder Broschüren zu schreiben, werden sich schwer tun.

Bislang hat sich die Diskussion über KI  in Deutschland meist auf dystopischen Zukunftsszenarien konzentriert und weniger darauf, wie KI die Wirtschaft und das Leben von Millionen von Menschen transformieren und verbessern wird. Das ist schade, denn KI kann für Unternehmen ein echter Segen sein.

Dank der Auswertung riesiger Datenmengen, der Anwendung komplexer mathematischer Modelle und dem Einsatz selbstlernender Systeme können KI-Forscher tief in die Zukunft blicken, zum Beispiel um Handelstrends zu erkennen oder die Verbreitung von Epidemien weltweit verfolgen und vorhersagen, was nicht nur tausende von Menschenleben retten, sondern uns vor einer Wiederholung der durch COVID-19 ausgelösten Wirtschaftskrise von 2020 schützen kann.

Dank vorausschauender Analyse von Maschinendaten können sich Unternehmen vor Ausfällen und Stillstand in der Produktion schützen und Produktionsfehler erkennen, bevor sie auftreten – was die Vision einer „Null-Ausschuss-Fertigung“ in greifbare Nähe rücken lässt.

KI ist die Voraussetzung, um vor allem drei Dinge zu schaffen, die für das Unternehmen von morgen entscheidend sein werden:, zum Beispiel:

Zufriedenere Kunden: Dank KI können Unternehmen ihre Kunden besser verstehen lernen. Auf der Grundlage dieses neuen Wissens um den Kunden können sie Markttrends besser vorhersagen und besser auf die individuellen Wünsche und Bedürfnisse jedes einzelnen Kunden eingehen. Das schafft zufriedenere Kunden – und zufriedene Kunden, das weiß jeder Manager, sind die besten Kunden.

Intelligentere Produkte und Dienstleistungen: Gadgets und Geräte müssen heute immer „smarter“ werden, wenn sie der Kunde annehmen soll. Das gilt für die neueste Generation von Mobiltelefonen (die ja nicht umsonst „Smartphones“ heißen) genau wie für Autos, Heizungssysteme, Küchengeräte, Fernseher oder ganze Wohnhäuser (Stichwort: Smart Home“). Firmen von Apple bis Tesla nutzen längst KI, um sich Wettbewerbsvorteile bei ihren Produkten zu sichern. Und im Service-Sektor sieht es keinen Deut anders aus: Alle von Spotify über Disney bis Über verwenden künstliche Intelligenz, um ihr Leistungsangebot noch zielgenauer auf die Wünsche und Bedürfnisse ihrer Kunden auszurichten.

Autonome Fertigung: In der industriellen Produktion bahnt sich dank KI eine Automatisierungs-Revolution an. Von autonomen Drohnen bis selbststeuernden Lieferrobotern, von selbstlernenden Fertigungsmaschinen bis zu „Null-Fehler“ Qualitätskontrolle erschließt KI am Band und in der Lieferkette ungeahnte Potenziale und macht „alte“ Industrien schneller, flexibler und konkurrenzfähiger.

Statt also aus Angst vor KI zu erstarren, sollten Unternehmen und Unternehmer, Manager und Führungsverantwortliche die Chancen ergreifen, die sich durch sie bieten. In ihrer Studie “Smartening up with Artificial Intelligence (AI) – What’s in it for Germany and it‘s Industrial Sector?” bezeichnen die Unternehmensberatern von McKinsey KI ein „Wachstumsmotor für die deutsche Industrie“ und sagen ein Anstieg des Bruttoinlandsprodukts in Deutschland bis 2030 von bis zu 4 Prozent durch den frühen und konsequenten Einsatz von intelligenten Robotern und selbstlernenden Computern voraus. Das wären umgerechnet 160 Mrd. Euro. Und die könnten wir doch ganz gut gebrauchen, oder?

Wenn es überhaupt einen ernsthaften Grund gibt, sich wegen Künstlicher Intelligenz Sorgen zu machen, dann im Bereich der Politik. Der rasche Fortschritt der KI macht sie zu einem mächtigen Instrument in wirtschaftlicher, politischer und militärischer Hinsicht.

Der britische Unternehmer und Autor Ian Hogarth malte auf der Jahrestagung der Ditchley Foundation in Oxfordshire das Schreckgespenst eines neuen „KI-Nationalismus“ an die Wand. Daten seien von großer strategischer Bedeutung, so Hogarth. In Zukunft würden Nationalstaaten nicht nur große Anstrengungen unternehmen, um ihre Datenbestände zu verteidigen, sondern auch sie für andere zu sperren. Sie würden versuchen, eigene nationale Datenwirtschafen zu etablieren.

Welche Rolle Europa in einer solchen bipolaren Welt spielen wird, ist ungewiss. Europa wird seine digitale Souveränität gegenüber den beiden KI-Weltmächten verteidigen müssen. Es wird seine Anstrengungen und Investitionen verdoppeln, oder sich mit strategischen Allianzen zufriedengeben müssen.

Andere Staaten, darunter Kanada, Frankreich und Indien, sind schon dabei, nationale Strategien für die KI zu entwickeln. Der Bedarf an qualitativ und quantitativ hochwertigen Daten hat eine neue Währung der Staatsmacht geschaffen. So wie das Öl die internationale Diplomatie der Vergangenheit geprägt hat, so werden sich neue Allianzen zunehmend mit der Zusammenarbeit im digitalen Bereich überschneiden. Die Folge könnte ein neues, ein digitales Wettrüsten sein.

Sebastian Spence verweist in der Zeitschrift New Statesman auch auf das Potenzial der KI zur Schaffung neuer militärischer Fähigkeiten (wie „Robotersoldaten“) und zur Stärkung der staatlichen Macht. Die KI werde die Ressourcenallokation verbessern und die Geschwindigkeit der Entscheidungsfindung erhöhen. Sie wird kleineren Mächten die Möglichkeit bieten, militärisch und wirtschaftlich Einfluss zu nehmen, der nichts mit ihrer tatsächlichen Größe zu tun hat.

Wenn wir einfach zusehen, wie Künstliche Intelligenz zum nächsten Rüstungswettlauf verkümmert, wäre das so ziemlich das Dümmste, was wir als Menschen tun könnten.

 

 

 

 

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