Big Data ist kein Selbstzweck

Digitale Abfallverwerter

Digitaler Abfallverwerter

In jedem Unternehmen schlummern ungeahnte Schätze in Form von digitalen Informationen. „Daten sind das Erdöl des 21. Jahrhunderts“, schrieb mein Freund, der Medienfuturist Gerd Leonhard.

Leider sehen das viele Unternehmer und Manager nicht so. Für sie ist das Sammeln und Verarbeiten von Daten kein Teil der Gewinnstrategie, sondern ein Kostenfaktor. Doch damit kommt man im Digitalzeitalter nicht weiter. Daten sind heute ein Teil des Betriebsvermögens, wie Maschinen, Gebäude, Rohstoffe und Fahrzeuge.

Daten kommen heute in vielen Formen und Formaten daher: als Einträge in Datenbanken, aber auch per Mail, Fax oder als Tonaufnahmen, etwa von Unterhaltungen zwischen Kunden und Callcenter-Mitarbeitern. Fachleute sprechen von „nicht-kodierbaren Daten“, und sie liegen in fast jedem Unternehmen bis heute brach, sozusagen riesige digitale Mülldeponien, ungenutzt und ungeliebt.

Das Geschäftsmodell von Daniel Fallmann ist ein Teil der Abfallwirtschaft: das Recyceln digitaler Datenhalden. Der Chef der Linzer Firma Mindbreeze möchte eine Art „Google für Unternehmen“ schaffen: ein Gerät, das tief in das Innerste von Systemen eindringt und die dort schlummernden Informationsschätze durchsuchbar und damit auffindbar macht. Damit will er Chefs und Sachbearbeitern ein Werkzeug in die Hand geben, das vorhandenes Wissen in einen verwertbaren Rohstoff umwandelt – sozusagen die Antwort auf von Pierers 20 Jahre alte Frage: „Was weiß Siemens?“

Fallmanns Lösung ist eine „Black Box“, ein Schwarzer Kasten, der aussieht wie ein typischer Server und der Verbindungen zu allen vorhandenen digitalen und semidigitalen Systemen im Unternehmen herstellt, um die dort vorhandenen Daten zu katalogisieren – so wie es die Suchroboter von Google für das globale System des World Wide Web tun.

Damit steht die kleine Firma aus Oberösterreich mit an der Spitze einer weltweiten Bewegung, die sich etwas irreführend „Big Data“ nennt – ein Begriff, den nur ein technikverliebter Computernerd lieben kann. Jeder andere denkt dabei unwillkürlich an George Orwells schaurigen Zukunftsroman 1984 und an den Big Brother, der Herrscher über einen utopischen Unrechtsstaat, in der Bürger ausgespäht, verfolgt und am Ende gleich- oder ausgeschaltet werden – eine Vision, die mit den Enthüllungen des ehemaligen Geheimdienstmitarbeiters Edward Snowdon eine ungewollte Aktualität bekommen hat.

Nur: Das Ziel von Big Data ist ja eigentlich gar nicht das Sammeln möglichst vieler Informationen, sondern vor allem die Umwandlung des „Rohstoffs“ Information in verwertbares Know-how: Wissen um die Kunden und ihre Vorlieben und Abneigungen, das Wissen um die Abläufe der Unternehmensprozesse und deren Aussteuerung, um Reibungsverluste zu vermeiden und die Produktivität der Mitarbeiter zu erhöhen. Es geht, kurz gesagt, um Transparenz.

Die Analysten der Altimeter Group haben eine Definition von Digitaler Transformation geliefert, die genau diese Aufgabe in den Mittelpunkt stellt, nämlich die „Neuausrichtung von Technologien und Geschäftsmodellen, um die Zusammenarbeit mit den digitalen Kunden an möglichst jedem Berührungspunkt mit dem Unternehmen und den Lebenszyklus der Kundenbeziehung zu verbessern“.

Umgekehrt bedeutet das: Nicht jede Investition in Dinge wie Big Data, Social Media oder mobile Anwendungen zahlt sich automatisch aus. Sie müssen im Gesamtzusammenhang des Unternehmens und seiner Geschäftstätigkeit gesehen, eingebunden und nutzbar gemacht werden.

Digitale Transformation hat deshalb weniger mit Technologie und mehr mit Infrastruktur, mit Organisationsmodellen und mit Führungsqualität zu tun. Es geht um ein neues Bewusstsein, das vielleicht am besten mit dem Schlagwort „digital first“ beschrieben werden kann: Die Ausrichtung aller unternehmerischen Aktivitäten darauf, den maximalen Nutzen aus dem Einsatz neuer Digitaltechnologien zu ziehen.

Das heißt, nicht das Sammeln von Daten ist wichtig, sondern die Kompetenz, Zusammenhänge besser zu verstehen. „Eine wesentliche Stärke von Big Data ist die Fähigkeit, Korrelationen und Muster dort zu erkennen, wo Menschen nur Datenchaos sehen“, wie Daniel Fallmann behauptet. In einem Report der Analystenfirma Gartner über das Mindbreeze-System heißt es: „Maschinen werden in Zukunft intuitiv genug sein, um menschliche Absichten zu verarbeiten, statt nur auf Anweisungen zu reagieren.“

 

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