Die vergessenen Kinder der Schande

Wieso wissen so viele Deutsche nicht, dass während des 2. Weltkrieges ausländische Kinder von den Deutschen entführt worden sind, fragt jemand auf Quora. Tatsächlich wurde das Thema in den Nachkriegsjahren gerne totgeschwiegen. Eher bekannt sind die „Lebensborn-Kinder“. 1935 gründete SS-Chef Heinrich Himmler die Organisation aus der wahnhaften Idee heraus, durch Züchtung eine rein arische Rasse hervorzubringen. Seine SS-Truppen wurden angehalten, möglichst viele Kinder mit Frauen in den Besatzungsbieten zu zeugen, die arischer Abstammung waren.

Es gab mehr als 20 „Lebensborn-Heime“ in Deutschland, aber auch in Belgien, Luxemburg und Frankreich, wo jeder schwangere Frau, die einen arischen Abstammungsnachweis vorzeigen konnte, ihr Kind zur Welt bringen konnte. Es wurde ihr anschließend abgenommen und politisch korrekt im Sinne der Nazis großgezogen.

In Norwegen, das während des Weltkriegs von etwa 350.000 deutschen Wehrmachtssoldaten besetzt war, gingen aus den von Himmler offiziell geförderten Beziehungen mit norwegischen Frauen schätzungsweise 12.000 Kinder hervor, von denen 5-6.000 in den Lebensborn-Heimen zur Welt kamen. Ab 1941 wurden diese „rassisch wertvollen“ Kinder zwangsweise eingedeutscht. Nach Ende des Krieges wurde ihnen das in Norwegen zum Verhängnis: viele kamen in Erziehungsheime und wurden misshandelt.

Eine der prominentesten „Kinder der Schande“, wie sie damals genannt wurden, war Anni-Frid Synni Lyngstad, Sängerin der weltbekannten Popgruppe ABBA. Sie wurde kurz nach Ende des Krieges geboren, ihre minderjährige Mutter hatte eine Beziehung zu einem deutschen Soldaten. Als uneheliches Kind wuchs die Sängerin bei ihrer Großmutter in Schweden aufgezogen, auch um ihr Anfeindungen im eigenen Land zu ersparen. Andere konnten das nicht – Kinder deutscher Soldaten in Norwegen wurden weggegeben und oft in Heimen erzogen, denn sie galten nun als Produkt der deutschen Nationalsozialisten und Besatzer. Erst nach Jahrzehnten machen sie heute durch einen Gerichtsprozess auf ihre damalige Situation aufmerksam.

Natürlich würden die meisten Deutschen diesen dunklen Fleck in ihrer Vergangenheit am liebsten vergessen – das ist menschlich verständlich. In meiner eigenen Schule wurde das Thema im Rahmen der Aufarbeitung der Geschichte des Dritten Reichs allerdings behandelt, aber ich vermute, wir waren da eher eine Ausnahme. Unser Lehrer hat auch einen Klassenausflug mit uns zur KZ-Gedenkstätte Dachau organisiert.

Es hat allerdings bis heute Versuche gegeben, die Erinnerung in Deutschland wachzuhalten. Es gab eine Sonderausstellung zum Thema „Lebensborn“im Dokumentations- und Lernort Baracke Wilhelmine in Schwanewede-Neuenkirchen, die in der NS-Zeit als Lebensborn-Heim genutzt wurde. Und die Stadt München bemüht sich seit Jahren um die kritische Reflektion dieses Themas. So gibt es seit 2013 eine „mobile Ausstellung“ namens Ge(h)denken zur Geschichte des Lebensborn in München als App fürs Handy.

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