Ich schreibe, also bin ich

„Schreib das auf, Kisch!“ ist ein Satz, den ich nie vergessen werde. Er galt dem berühmten österreichischen Schriftsteller, Journalist und Reporter Egon Erwin Kisch (1885-1948), aber er passt perfekt zu mir. Für mich ist ein Tag, an dem ich nichts schreibe, ein verlorener Tag – egal was: ein Aufsatz, ein Artikel, ein Buch oder eben auch eine Antwort auf Quora!

Das Ergebnis über die letzten 25 Jahre sind ein rundes Dutzend Bücher zu Themen, die alle mehr oder weniger mit der Welt des Digitalen zu tun haben. Schuld daran ist eigentlich mein Freund Manfred Hasenbeck, wie ich ein altgedienter Pressefuzzi, der einst von der WirtschaftsWoche kam und gemeinsam mit Fritz Bräuninger das Technologiemagazin High Tech leitete, das ursprünglich von einem anderen alten Freund, nämlich Günter Ogger („Nieten in Nadelstreifen“) gegründet worden war.

Ich hatte gerade die Chefredaktion des Wirtschaftsmagazins Net-Investor übernommen und bezeichnete mich selbst als „Deutschland ersten Internet-Journalisten“. Na ja, stimmte ja eigentlich auch: Es hat vor mir Kollegen gegeben, die über Internet-Themen schrieben, aber keinen, auf dessen Visitenkarte das Wort „Internet Journalist“ stand und der seinen Lebensunterhalt mehr oder weniger vollständig damit verdiente.

Ich stand im Münchner Flughafen, als mir Manfred über den Weg lief. Er begrüßte mich überschwänglich, wie es seine Art ist, und wir unterhielten uns über das, was wir gerade so beruflich taten. Und plötzlich platze er raus: „Cole, du musst ein Buch schreiben!“

Ein Buch? So ein richtiges auf Papier? Aber ich bin doch Internet-Journalist, sagte ich. Die schreiben nicht auf toten Bäumen sondern im Cyberspace – digital, eben!

„Aber du lebst in Deutschland“, polterte er, „und in Deutschland bist du erst was, wenn du ein Buch geschrieben hast – sonst glaubt dir keiner, dass du Ahnung hast!

Ich habe über seine Worte nachgedacht und fand am Ende, dass er Recht hatte. Und wie der Zufall so spielt rief mich ein paar Tage später einer von Econ-Verlag an und fragte, ob ich nicht ein Buch über das Internet schreiben möchte. Zu dieser Zeit war das Internet in den Augen von Managern und Unternehmern noch eine studentische Ulkveranstaltung, jedenfalls nichts, das sie ernstnehmen mussten.

Das wollte ich ändern. Und so schrieb ich 1999 „Erfolgsfaktor Internet„, das den warnenden Untertitel trug: „Warum kein Unternehmen ohne Vernetzung überleben wird!“

Das kam an. „Erfolgsfaktor“ wurde ein echter Bestseller, verkaufte im ersten Jahr mehr als 50.000 Exemplare und wurde sogar zusätzlich in einer Paperback-Version aufgelegt. Es brachte mir Einladungen in Talkshows und Interviews in „Spiegel“, „Stern“ und „Süddeutsche“. Es war halt genau der richtige Zeitpunkt gewesen, als nämlich die Internet langsam anfing, das Hype-Thema schlechthin zu werden und sich zur Dotcom-Blase aufzuplustern, die bekanntlich ein Jahr später spektakulär platzte. Wenigstens kann ich mir zugute halten, dass ich in meinen Leitartikeln für den Net-Investor rechtzeitig davor gewarnt habe – aber keiner hat auf mich gehört…

Aber das Börsenphänomen Internet hat den Siegeszug des Internets in Wirtschaft und Gesellschaft ja keineswegs stoppen können – im Gegenteil. Ab 2001 ging’s eigentlich erst los. Und da passierte etwas seltsames: Es fingen Leute, darunter viele gestandene Manager, an bei mir anzurufen und zu sagen: „Sie, Herr Cole, das ist sicher ein tolles Buch, das sie da geschrieben haben – aber ich habe keine Zeit, Bücher zu lesen, ich bin ja Manager. Könnten Sie nicht nächsten Monat zu uns kommen zu unserem Kunden-Event oder unserem Führungskreis und uns in einer Stunde erzählen, was in dem Buch steht? Dann brauchen wir es nicht zu lesen…“

Und so wurde ich von Schreiber zum Schwätzer. Ich habe im Jahr 2002 sage und schreibe 200 öffentliche Vorträge gehalten, was vor allem eine logistische Meisterleistung war. Da das Jahr bekanntlich ungefähr 200 Arbeitstage hat, bedeutete das jeden Tag woanders auf der Bühne stehen. Alleine die Reiseplanung war eigentlich ein Full Time Job. Und verdienst habe ich auch ganz gut dabei.

Aber das Sprecher-Geschäfts ist wie ein Karussell: Du musst erst aufspringen, dann kommst du aber viel rum! Nach einer Weile brauchst du aber ein neues Vortragsthema, weil ein paar Hunderttausend Leute haben deinen alten Vortrag gehört, und wenn du gut bist, wollen sie wieder was von dir hören. Etwas Neues, halt.

Und so begann ich, mehr oder weniger regelmäßig neue Bücher zu schreiben. M ein zweites Buch war ein riesiger Flop. Mein Kollege Michael Matzer war auf mich zugekommen mit der Idee, ein Buch über Computersicherheit für Manager zu schreiben. Ich war mir unsicher, denn welcher Manager kann seine eigene Firewall programmieren? Aber ich wusste, dass jedes Mal, wenn ich einen Vortrag hielt darüber, wie toll man im Internet Geschäfte machen kann, irgendein alter Krittler in der letzten Reihe aufstand und fragte: „Aber was ist mit der Sicherheit? Bekomme ich überhaupt mein Geld?“

Ich ließ mich also breitschlagen, und es erschien „Managementaufgabe Sicherheit„. Wir haben etwa 500 Exemplare verkauft, dann wurde der Titel verramscht. Und ich lernte daraus: Manager wollen sich über die Risken des Internets lang und breit unterhalten; etwas dagegen tun wollen sie nicht. Daran hat sich im Grunde auch bis heute nichts geändert.

Kurte Zeit später traf ich zum Mittagessen mit Dr. Paul Gromball, der von McKinsey kam und garede seine neue Firma TMG Technologie Management Gruppe gegründet hatte. Er wollte mit mir über Kundenbindung im Zeitalter des Internets reden, und bis das Essen fertig war hatten wir das Konzept für ein gemeinsames Buch fertig, „Das Kunden-Kartell„. Im Internet-Zeitalter, da waren wir uns einig, verschieben sich die Machtverhältnisse zugunsten des Kunden, und die Anbieterseite muss darauf reagieren. Wie, dass sollte ihnen dieses Buch sagen. Und das tat es auch – so gut, dass das Manager Magazin den Titel in seine Liste der „100 wichtigsten Wirtschaftsbücher aller Zeiten“ aufnahm. Okay, das war sicher übertrieben, Paul und mich auf eine Stufe zu stellen mit Adam Smith oder John Maynard Keynes, geschweige einem Joseph Schumpeter oder einem David Ricardo. Aber ein bisschen stolz waren wir schon…

Ich habe ein paar seltsame Ausflug in meinem Autorenleben gemacht. Die längste führte mich kreuz und quer durch Südostasien mit meinem Freund Dr. Gunter Denk, der als Unternehmensberater in Bangkok siutzt und mich bat, ihm beim Schreiben eines Buchs für Investoren zu helfen, die gerne nach Asien gehen wollen. Das war 2011, und die deutschen Unternehmer waren gerade dabei zu merken, dass Asien nicht nur als verlängerte Werkbank taugt, sondern auch dabei war, sich zum größten Absatzmarkt der Welt zu mausern. Wer von dem Kuchen etwas abbekommen wollte musste vor Ort sein, und genau wollte Gunter ihnen helfen. Den Input zu „Asien für Profis“ haben wir uns von den vielen deutschen Handelskammern geholt, die sich in den einzelnen asiatischen Ländern von Indien bis zu den Philippinen niedergelassen hatten, sowie von Experten vor Ort. Mein inhaltlicher Beitrag war die Erkenntnis, dass mit dem Internet Möglichkeiten entstanden waren, um besser mit den Ablegern in Asien zu kommunizieren und Geschäftsprozesse so miteinander zu vernetzten, das nicht jedes Mal ein Manager von Deutschland nach Kuala Lumpur fliegen muss, um nach dem Rechten zu sehen.

Das schönste Buch, an dem ich beteiligt war, hieß „Digitale Aufklärung„, und ich habe es mit meinem langjährigen Freund Ossi Urchs geschrieben, dem eigentlichen Guru des deutschen Internets. Er hatte auch die langen rotblonden Rastalocken dazu, vor allem aber hatte er jede Menge im Hirn, und wir haben dieses Buch schon jahrelang geplant gehabt. Als wir uns endlich hinsetzen und es schreiben wollten, gab es aber ein Problem: Ossi, der perfekt Amerikanisch sprach, schrieb wie ein deutscher Literaturprofessor, umständlich und gestelzt. Mir sagt man hingegen nach, dass cích deutsch so schreibe, dass es wir Englisch klingt, jedenfalls weniger spröde und ungelenk als sonst, und diese beiden Stile prallten bei uns frontal aufeinander. Wir haben das Problem ziemlich elegant gelöst, indem wir uns abwechselnd in Ossis Wochenendhaus im Spessart und bei mir im Salzburger Lungau getroffen haben und ein Wochenende lang über das Buch geredet haben. Wir hatten uns einen Kapitelrahmen gebastelt, an das wir uns gehalten haben, und ich habe unsere Gespräche aufgenommen und später abgeschrieben. Alles, was wir tun mussten, war den Text ein bisschen zu redigieren, und es enstand ein Buch voller lebendiger Sprache und vieler Ideen, auf die keiner von uns alleine gekommen wäre. Das Ganze, das gilt hier ganz besonders, ist mehr als die Summe seiner Teile!

Leider ist Ossi kurz darauf an Krebs gestorben, und ich habe ihm zu Ehren unser Buch noch ins Englisch übersetzt, wo es asl „Digital Enlightenment Now!“ bei Amazon erschienen ist. Und dann rief eines Tages ein junger Mann

bei mir im Lungau an, stellte sich vor als Dennis Brunotte vom Vahlen-Verlag, einer kleinen Untermarke des großen Beck-Verlags in München, und meinte: „Herr Cole, ich würde gerne ein Buch mit ihnen machen.“

„So, wirklich“, entgegnete ich, „und haben Sie auch eine Ahnung, was für ein Buch das werden soll?“

„Nee“, antwortet er, „das müssen Sie mir sagen.“

Wir haben uns eine halbe Stunde am Telefon unterhalten, und danach war das Rohkonzept von „Digitale Transformation“ fertig! Das Thema hatte mich schon monatelang umgetriebem iúnd in unserem Gespräch kam sozusagen alles zusammen und band ab, wie ein Eimer Gips. Sogar den dräuenden Untertitel hatten wir schon: „Warum die deutsche Wirtschaft gerade die digitale Zukunft verschläft und was jetzt getan werden muss!“

Das rockte, und es verkaufte sich auch gut – meine zweithöchste Auflage seit „Erfolgsfaktor Internet“. Das konnte man leider vom nächsten Buch nicht sagen, obwohl ich „Wild Wild Web“ für ein ganz wichtiges Buch halte. Ich war nur leider meiner Zeit wieder mal voraus, habe die Monopolbildung durch die großen Internetkonzerne gegeißelt und eine Reform des Wettbewerbsrechts für das Digitalzeitalter gefordert. Das war 2019, und keinen hat es interessiert. Da sieht man aber, wie schnell sich die Geschichte ändert: Heute beraten beide Häuser des US Congress einschneidende Gesetzesänderungen, und sogar Facebook wirbt für „neue, zeitgemäße Internet-Regulierung.“ Wer hätte das vor zwei Jahren gedacht…

So, und jetzt ist das runde Dutzend voll. Mit „Lebensfragen“ erscheint mein zwölftes Buch irgendwann im April. Es ist eine Art Memoirenband, aber eine etwas andere als sonst. Dazu müssen Sie, geneigter Leser, wissen, dass ich sei Jahren ein Fan bin von Quora, eine Social Media Plattform, auf der jeder eine x-beliebige Frage reinstellen kann, und jeder, der zufällig vorbeikommt und sich berufen fühlt, eine Antwort hinterlassen darf. Das ist genau das Richtige für mich. Meine Frau bezeichnet mich sowieso als „ewigen Besserwisser“, und in der Tat bin ich durch mein langes und abwechslungsreiches Leben mit Erfahrungen auf vielen Gebieten ausgestattet, und diese Erfahrung gebe ich auf Quora regelmäßig weiter. Und während des nunmehr einjährigen Covid-Lockdowns habe ich dazu auch sehr viel Zeit gehabt. Wie eingangs erwähnt schreibe ich für mein Leben gerne, und ein Tag ohne Schreiben ist für mich ein verlorener Tag. Ich habe also inzwischen zusammengerechnet sicher viele Tausend Stunden damit zugebracht, auf Qurora die abstrusesten, intelligentesten, dämlichsten oder überflüssigsten Frage n der Welt zu beantworten. Und viele von ihnen sind ziemlich persönlicher Natur.

Ich habe meine beiden Enkeltöchter seit einem Jahr nicht mehr sehen können, weil sie in Irland leben und wir in Österreich. Und langsam kommen sie in das Alter, wo man anfängt, den Erwachsenen Fragen zu stellen, die ich leider von hier aus nicht beantworten kann.

Außerdem komme ich jetzt in ein Alter, wo der Mensch ans Memoirenschreiben denkt. Und dank Quora kann ich beide Fliegen mit einer Klappe schlagen. Ich habe dieses Buch deshalb „Lebensfragen“ genannt, weil es Fragen aus und zu meinem Leben, aber auch Fragen sind, die das Leben im Allgemeinen betreffen.

Das Dutzend ist damit voll. Ob es mein letztes Buch sein wird – wer kann das sagen? Ich werde jedenfalls weiterschreiben bis zum Schluss, und auch das kann keiner sagen, wann es sein wird.

 

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