Das Internet lieben heisst die Bombe lieben

Was hat eine Anleitung zum Bombenbau nichts mit Meinungsfreiheit oder dem Recht auf Information zu tun? Nichts, meint EU-Kommissar Franco Frattini. Ich meine: eine ganze Menge!

So, Sie wollen also eine Bombe bauen? Ganz einfach: fragen Sie Google. Die größte Suchmaschine der Welt ist dabei sogar außerordentlich, ja geradezu vorauseilend behilflich: Als ich gerade den Begriff „Bombe“ eingab, schlug mir Google neben einem entsprechenden Eintrag bei Wikipedia sowie einem Beitrag in FOCUS („“Kann man tatsächlich wie Fernseh-Held MacGyver aus Klebeband, Armeemesser und einem Kaugummi eine Bombe bauen?“) gleich noch vor, stattdessen nach „bombe bauen“ zu suchen. Und da wimmelt es vor nützlichen Tipps  für Terroristen und solche, die es werden wollen. Der „kleine Hobbyforscher“ erteilt Anfängerunterricht („Wir bauen eine Atombombe“), im „Chemikalien Onlineshop“ bekommt man den Rat, Zucker und Salpeter im Verhältnis 1:1 zu mischen („hihi, schöner Rauch“).

Ein gewisser „dertester“ schreibt auf „versuchschemie.de“: „Man muss nur AN-Dünger mit irgendeinem Öl mischen, schon hat man einen Sprengstoff, der mehr als ausreichend billig ist, um sich Mengen zu machen, mit denen man Gebäude sprengen kann.“ Vielleicht sollte man den Behörden sagen, dass jeder Landwirt in Deutschland zentnerweise Rohstoff für die Sprengstoffherstellung in der Scheune hat, so ein Leserkommentar.

Überhaupt herrscht bei den Versuchschemikern eine Bombenstimmung. „Von dem ganzen Sprengstoffgerede werde ich noch zum Bombenbastler“, meint ein gewisser „SirJohe“, und fragt ab, ob es möglich sei, mit Hilfe eines Elektrolytkondensatoren als Initialzünder zum Beispiel TNT oder ähnliches zur Explosion zu bringen. „Für TNT sicher nicht“, meint daraufhin ein gewisser „CD-ROM-LAUFWERK“ aus Magdeburg, übrigens ein schmucker Jüngling mit kragenlangem Haar – er hat freundlicherweise gleich sein Foto mitgeschickt. Auskennen tut er sich offenbar auch ganz gut, denn er weiß, dass man natürlich mit einem einfachen Kondensator höchstens „so empfindliche Sachen wie Nitroglyzerin oder Nitroglykol“ zünden kann. SirJohe solle es doch mit einem glühenden Draht versuchen, „der tut’s auch.“

„Shadow“ rät seinen Mit-Versuchschemikern, es doch im Modellbauladen zu versuchen. Dort könne man „auch 5l Kanister reines Nitromethan kaufen, wenn man möchte.“ Auch Amoniumnitrat gilt offenbar als heißer Tipp, denn es „fällt erst unters Sprengstoffgesetz, wenn man es mit 0,2% brennbaren Stoffen mischt“. Klingt wie eine lösbare Aufgabe.

Auf die Gefahr hin, mich der Rasterfandung auszusetzen, muss auch ich zugeben, schon Bomben gebastelt zu haben. Ich war damals ungefähr 14, und wir haben im Chemieunterricht gerade Kaliumpermanganat durchgenommen. Zur Erinnerung: Es handelt sich dabei um ein rot-violetter, metallisch glänzender, kristalliner Feststoff, der frei erhältlich ist und beim Kontakt mit Glyzerin nach einigen Sekunden entzündet. Wir haben das Zeugs in alte Bierflaschen (die mit dem Schnappverschluss) gefüllt und diese auf dem Feld neben dem Haus eines Freundes als Handgranaten benützt. Wahrscheinlich würde man heute das mobile Einsatzkommando rufen. Damals galt so was als Lausbubenstreich.

Und was lehrt uns das? Nun, dass es in Deutschland entweder eine ganze Menge Amateur-Terroristen in spe gibt, oder dass es Menschen gibt, die es faszinierend finden, sich mit Dingen zu befassen, die mit einem lauten Knall in die Luft sprengen lassen. Das tun übrigens eine ganze Menge Menschen. Alle, die an Silvester einen Knallfrosch werfen oder eine Feuerwerksrakete aufsteigen lassen, gehören dazu. Und das ist ihr auch gutes Recht!

EU-Kommissar Franco Frattini möchte innerhalb der EU die Internetsuche nach Bombenbauanleitungen und den Zugang zu entsprechenden Seiten von den Internetprovidern blockieren lassen. Frattini will laut „heise-online“ mit den Providern zunächst klären, „wie es möglich ist, mit technischen Mitteln die Menschen daran zu hindern, gefährliche Wörter wie Bombe, Töten, Genozid oder Terrorismus zu verwenden oder nach ihnen zu suchen“. Auf die Frage, ob damit nicht die Meinungsfreiheit und das Recht auf Information eingeschränkt würden, antwortete Frattini, dass eine Anleitung zum Bombenbau nichts mit Meinungsfreiheit oder dem Recht auf Information zu tun habe. Außerdem sollen nicht Meinungen, Analysen oder historische Informationen, sondern nur konkrete Anweisungen gesperrt werden.

Was Herrn Frattini angeht, sollte er sich lieber um die ebenfalls zu seinem Aufgaben-Portfolio gehörenden Fragen der Grundrechte kümmern. Dazu gehört die Freiheit von Ausdruck und Meinung. Zensur gehört, so weit ich weiß, nicht dazu. Jedenfalls noch nicht.

Dieser Beitrag wurde unter Internet & Co. abgelegt und mit , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Kommentar verfassen

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.