Das Märchen von der alten Primaballerina und dem Schwan

Eine wunderbare Geschichte, die schon mehr als 1,2 Millionen FB-User zu Tränen gerührt hat: Die schwer demezkranke ehemalige Primaballerina Marta C. Gonzalez, die in den 60ern am New York Ballett getanzt hat, bewegt sich anmutig zu Tschaikowskys Schwanensee , weil sie sich noch an eine jahrzehntelange Choreografie erinnert.

Die Asociacion Musica para Despertar, eine spanische Organisation zur Förderung der Musiktherapie, stellte das Video am 30. Oktober online und gab bei der Veröffentlichung an, es sei 2019 in Valencia, Spanien, aufgenommen worden, und dass Gonzalez inzwischen verstorben sei.

Das Dumme ist nur, die Geschichte stimmt nicht, jedenfalls nicht so, wie sie inzwischen tausendfach im Internet kolportiert wird.

Alastair Macaulay, ein ehemaliger Tanzkritiker der New York Times, ist der Sache auf den Grund gegangen und erstens festgestellt, dass kein Tanzensemble mit diesem Namen gibt, und dass das New York City Ballet Gonzalez nicht als Alumnus aufführt.

Das in dem Video verwendete Archivmaterial, so Macaulay, zeige in Wirklichkeit eine ganz andere Ballerina namens Ulyana Lopatkina, und sie tanzt zu „Der sterbende Schwan“ und nicht zum Schwanensee. Das kurze Stück wurde als Solotanz 1905 von Mikhail Fokine zu Camille Saint-Saëns‘ Le Cygne aus Le Carnaval des animaux für die Ballerina Anna Pavlova choreographiert, die ihn etwa 4.000 Mal aufführte.

Macaulay hat auf Instagram auch ein Post geteilt, der Gonzalez im Dezember 2019 bei einem Besuch bei den Studenten und der Fakultät des Masters Ballet Alcoi in Spanien zeigt.

„Alle Fotos, die von dieser Alcoi-Ballettschule auf Facebook gepostet wurden, sind wunderbar berührend. Es ist gut, daran zu denken, dass diese Tänzer diese Verbindung mit Gonzalez am Ende ihres Lebens herstellen“, schrieb er.

Doch obwohl es nur wenige Informationen darüber gibt, zu welcher Tanzorganisation Gonzalez gehörte oder sogar über ihren persönlichen Hintergrund, sei das alles nicht so wichtig. Vielleicht wäre es das Beste, das Video nur als das zu nehmen, was es ist, nämlich ein sehr, sehr berührendes Dokument.

„Wenn Sie, wie viele andere auch, von dem Video bewegt sind, dann ist es eigentlich wunderbarer, diesen Einblick in die Inspiration des Tanzes inmitten der Demenz einer weitgehend unbekannten Tänzerin zu finden“, schreibt Macaulay.

Und was lernt uns das? Glaube nix, was du im Internet liest. Jedenfalls nicht, bis du selber die Fakten gecheckt hast!

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