Wie der Kaiser auf die Insel kam

Ich habe mich oft gefragt, warum der letzte Kaiser von Österreich, Karl I. eigentlich in Funchal beerdigt wurde und nicht in der Kapuzinergruft, wie es sich gehört. Als ich jetzt über eine ähnliche Frage auf Quora gestolpert bin, habe ich ein bisschen recherchiert, und es ist wirklich eine spannende Geschichte dabei herausgekommen.

Nachdem Karl I. am 24. März 1919 mit dem sogenannten „Feldkircher Manifest“ seinen am 11. November 1918 in der Schönbrunner „Abdankungsproklamation“ erklärten Thronverzicht widerrufen hatte, wurde ihm, seiner Frau Zita und sämtlichen Nachkommen am 3. April 1919 mit dem Gesetz „betreffend die Landesverweisung und die Übernahme des Vermögens des Hauses Habsburg-Lothringen (StGBl. Nr. 209/1919, auch als „Habsburgergesetz“ bekannt) endgültig die Rückkehr in das österreichische Staatsgebiet untersagt, sofern sie sich nicht vorher ausdrücklich zur Repubik bekennen würden.

Im November 1918 waren Karl und seine Frau mit einem britischen Kriegsschiff auf die portugiesische Insel Madira gebracht worden, wohin sie die Entente verbannt hatte. Dort wohnten sie zunächst im Hotel Victoria in  der Hauptstadt Funchal, konnten aber bald ihre Hotelrechnung nicht mehr bezahlen. Nach dem Diebstahl der als letzten Notgroschen verbliebenen persönlichen Juwelen der Kaiserin übersiedelte der Haushalt in die Quinta do Monte, ein marodes Herrenhaus in Monte bei Funchal, das ihm von der Bankiersfamilie Rocha Machado kostenlos zur Verfügung gestellt wurde. In dem muffigen, vermoderten Anwesen holte sich Karl die Spanische Grippe und verstarb an ihr am 1. April 1922. Das Haus wurde 2016 übrigens durch einen Waldbrand zerstört.

Die Beisetzung fand in der Kirche Nossa Senhora in Monte am 4. April 1922 in Anwesenheit des Bischofs von Funchal statt. An der Zeremonie nahmen etwa 30.000 Personen teil. Sein einbalsamiertes Herz wurde 1971 in die Familiengruft in der Loretokapelle im Kloster Muri (Schweiz) überführt.

Nachdem die österreichische Regierung Zita Habsburg-Lothringen 1982 die Wiedereinreise – übrigens ohne den gesetzlich vorgeschriebenen Treueeid auf die Republik zu leisten! – erlaubt hatte, plante sie, die Leiche ihres Gatten in die Wiener Kaupzinergruft überführen zu lassen. Der damalige SPÖ-Kanzler Bruno Kreisky erhob zwar keine Bedenken, aber Karls Sarkopharg blieb trotzdem bis heute auf Madeira. Sein Sohn Otto glaubte nämlich, die Bevölkerung von Madeira würde darin einen Affront sehen. Karl war 2004 von Papst Papst Johannes Paul II. in einem bis heute umstrittenen Verfahren seliggesprochen worden, und sein Grab auf Madeira ist inzwischen eine Art inoffizielle Pilgerstätte.

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