FAANG den ANT!

Chewie wäre auch dafür! © Lucasfilm Ltd

In meinem Buch Wild Wild West – Was die Geschichte des Wilden Westens uns über die Zukunft der Digitale Gesellschaft lehrt geht es eigentlich um die „Big Four“ , nämlich um Google, Amazon, Facebook und Apple. Das liegt daran, dass diese vier in einer Liga für sich spielen und ihre jeweiligen Kernmärkte so komplett dominieren, dass es auf absehbare Zeit kaum möglich erscheint, dass ihnen ernsthafte Konkurrenz erwächst. Außerdem teilen sie eine gewisse Ruchlosigkeit und eine absolute Konzentration auf das Eine: Geldverdienen um jeden Preis, auch um jeden gesellschaftlichen Preis. Es sind gierkaptalistische Unternehmen im wahrsten Sinn des Wortes, und wenn sie nicht dazu gezwungen werden, setzen sie sich über alle Regeln des Wettbewerbs, der Fairness und der Menschlichkeit hinweg.

Sozusagen in der zweiten Liga spielen dann Unternehmen wie Uber (Mitfahrdienst), AirBnB (Beherbergung), Palantir (Big Data) oder WeWork (Co-Working, Startups), die alle zur Gruppe der so genannten Unicorns zu zählen sind. Das sind Unternehmen, die es aus dem Stand heraus auf eine Börsenvalutierung von mehr als zehn Milliarden US-Dollar geschafft haben, doch ob die wirklich das Zeugs dazu haben, sich in der ersten, also in der GAFA-Spielklasse zu etablieren, scheint zweifelhaft. Sie sind Nischen-Player, mehr nicht – große und mächtige Nischenplayer, das sicher. Aber es ist nicht zu erkennen, wie sie eine ähnlich dominante Rolle im Alltag der meisten Menschen spielen könnten wie die vier ganz, ganz Großen. Ohne Google lässt sich ein Leben in der digitalen Welt schlecht vorstellen – ohne Uber schon.

Wenn wir also nach möglichen Kandidaten für die GAFA-Nachfolge suchen wollen, müssen wir unseren Blick nach Osten wenden. Chris Skinner, ein Journalist und Finanzberater, schreibt auf seinem Blog thefinanser.com: „Vergesst GAFA, die wirkliche Gefahr ist FATBAG.“

Die Abkürzung steht für Facebook, Amazon, Tencent, Baidu, Ant und Google und damit für eine „Sechserbande“, zu denen neben den üblichen GAFA-Verdächtigen die drei mächtigsten Online-Konzerne aus dem Reich der Mitte zählen.

Baidu ist der Google Chinas und gehört mittlerweile zu den fünf am häufigsten aufgerufenen Webseiten der Welt. Wie sein amerikanischer Pendant tanzt Baidu auf vielen Hochzeiten, von Musikdownloads bis KI und selbstfahrende Autos und Busse. Kritik an Baidu richtet sich vor allem gegen ihre Beteiligung an der staatlichen Internetkontrolle in der Volksrepublik China.  So wirft Reporter ohne Grenzen dem Unternehmen das systematische Filtern „subversiver“ Inhalte vor. Baisdu hat ein eigenes Betriebssystem für Smartphones namens Apollo entwickelt, das über Sprachsteuerung und eine Künstliche Intelligenz verfügt. Baidu versucht massiv, Apollo als „Android der Autoindustrie“ zu vermarkten. Mit BMW wurde bereits eine entsprechende Absichtserklärung unterzeichnet.

Tencent-Chef Ma Huateng, inzwischen mit 40 Milliarden Dollar Vermögen einer der reichsten Männer Chinas, betreibt die größte Social Media-Plattform des Riesenlands, sozusagen das chinesische Facebook. Nur dass Tencent viel mehr kann. So ist Konzern inzwischen zu einem der weltgrößten Anbieter von Onlinespielen aufgestiegen. Allein den Hit „Honour of Kings“ etwa zocken täglich 80 Millionen Gamer. Mit Gründungen wie Tencent Music, das die ­Musikportale QQ Music, KuGou und Kuwo betreibt und den chinesischen Markt dominiert, schafft es Ma immer wieder, neue Geschäftsfelder zu erobern. Gegenwärtig baut er massiv Know-how in künstlicher Intelligenz auf, um die Apps weiter zu verbessern und neue Dienste zu kreieren. Und mit WeChat verfügt Tencent über eine Messenger-App, die im Gegensatz zu Facebook eine Bezahlfunktion („WeChat Pay“) verfügt, die inzwischen von mehr als 500 Millionen Chinesen regelmäßig vor allem zum Bezahlen von Kleinbeträgen, im Restaurant, an der Tankstelle und beim täglichen Einkauf verwendet wird.

Ant Financial schließlich ist eine Tochter des mächtigen Alibaba-Konzerns, das 1999 vom ehemaligen Englischlehrer Jack Ma gegründet wurde und mit einem Handelsumsatz von fast 40 Milliarden US-Dollar als das „Amazon Chinas“ bezeichnet wird. Ant betreibt den Internet-Bezahldienst Alipay, der 2017 nach Angaben der Behörden ein Transaktionsvolumen von neun Billionen (!) Dollar abwickelte – mehr als die Hälfte aller mobilen Bezahlvorgänge im Reich der Mitte. Zum Vergleich: Der amerikanische Branchenprimus PayPal kam 2017 nur auf ein Zahlungsvolumen von 155 Milliarden Dollar.

Eine andere Abkürzung, die ungefähr seit Spätherbst 2017 vor allem in Börsenkreisen die Runde macht, ist FAANG und wurde von Jim Cramer, dem Moderator der Sendung Mad Money im US-Fernsehsender CNBC erfunden. Er stellt den Big Four einen fünften Tech-Riesen zur Seite, nämlich Netflix – eine interessante Wahl!

Eine Analogie, die jeder Fan von Star Wars sofort verstehen wird: Wenn Google, Amazon, Facebook und Apple die dunkle Seite der Macht repräsentieren, ist Netflix Chewbacca, von Fans liebevoll „Chewie“ genannt – ein großer, etwas tollpatschiger, aber immer liebenswerter Bär, der Raumschiffe fliegen kann. Während andere Digital-Giganten sich dauernd in der Öffentlichkeit mit Vorwürfen über Datenausbeutung, digitalen Drogenhandel, Monopolmissbrauchs oder massiver Steuerhinterziehung herumschlagen müssen, lieben alle Netflix. Und das, obwohl das 1997 gegründete Unternehmen seine Branche mindestens ebenso beherrscht wie Google die Suche, Amazon den Handel oder Facebook das Social Web. Netflix hat das Fernsehen transformiert. Angefangen haben sie als DVD-Vermieter, haben frühzeitig das Video-Streaming für sich entdeckt und den Markt dafür überhaupt erst geschaffen. Heute ist Netflix, wie der Economist schreibt, „das erste globale TV-Kraftpaket.“ Aber anders als die anderen hat Netflix es an die Spitze geschafft, ohne einen Proteststurm in der Öffentlichkeit, geschweige denn Drohungen von Regulierern auszulösen.

Zum einen liegt es daran, dass keiner Netflix anfangs richtig ernst genommen hat. Die großen Medienkonzerne haben das Potenzial von Streaming genauso verschlafen wie die Zeitungsverleger  das World Wide Web und waren deshalb gerne bereit, Netflix ihre Inhalte für ein Butterbrot zu übertragen. Jetzt müssen sie wahnsinnige Anstrengungen unternehmen, um Netflix‘ Vorsprung wenigstens ein bisschen wieder einzuholen: Die jüngsten Mega-Deals wie beispielsweise die Übernahme von Time Warner durch AT&T oder der bittere Bieterkampf zwischen Comcast und Disney um den Bezahlsender Sky sind vor diesem Hintergrund zu sehen.

Auch die Tech-Giganten sind eifrig dabei, die Lehren aus dem Aufstieg von Netflix zu studieren. Netflix hat sich beispielsweise nie die Finger am heißen Thema News verbrannt. Sie sind brav bei ihren Leisten geblieben, nämlich Unterhaltung zu bieten. Ihr Name ist deshalb nie in Verbindung gebracht worden mit Dingen wie Fake News oder Wahlfälschung. Und anders als Google und Facebook, die werbefinanziert sind, ist Netflix dem Abo-Modell bis heute treu geblieben und muss deshalb keine Daten oder die Aufmerksamkeit der User an Dritte verkaufen. Und während die GAFAs unverkennbar amerikanische Firmen sind, hat es Netflix geschafft, sich in eine internationale Marke zu verwandeln, mit Fernseh-Shows in 21 Ländern und in mehreren Dutzend Sprachen rund um den Globus. „Die Lehren für die anderen daraus: Seid vorsichtig mit den Daten Eurer Kunden, verfolgt ein klares und transparentes Ziel und respektiert die lokalen Märkte“, schrieb der Economist. Ob die GAFAs sich diese Lektionen hinter die Ohren schreiben werden?

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