Punkt, Punkt, Komma, Strich – fertig ist die E-Mail!

Punkt Punkt Komma Strich – fertig ist das Angesicht | Gelarie

Vor einiger Zeit flatterte mir per E-Mail eine Pressemitteilung des E-Commerce-Center Handel (ECC Handel) am Institut für Handelsforschung in Köln ins Haus mit der Betreffzeile: „Wie gut sind Ihre E-Mails wirklich?“ Es ging um eine Meinungsumfrage zum Thema Schreibstil im elektronischen Geschäftsverkehr. Demnach ist es mehr als 8 von 10 Menschen in Deutschland wichtig, dass Mails von Firmen keine Rechtschreib- oder Grammatikfehler aufweisen. Ebenso viele Befragte erwarten eine höfliche Antwort mit Formeln wie „sehr geehrter Kunde“ und „mit freundlichen Grüßen“. 85 Prozent gehen dafür angeblich selbst mit einer höflich verfassten Anfrage in Vorleistung.

Wenn das stimmt, dann bekomme ich nur Mails von den übrigen 15 Prozent: Mails, die vor Dreckfuhlern strotzen oder nur aus unvollständigen Satzfetzen bestehen. Und dass Leute wie mein Freund Michael, der ein gestandener PR-Profi ist, inzwischen auch Großschreibung und Grammatik im Internet zum Auslaufmodell erklärt hat, treibt mich manchmal an den Rand der Verzweiflung. Neulich bekam ich folgende Mail von ihm: „fyi: brauch txt asap“. Um zum Sinngehalt dieses Satzes („zu deiner Information: Ich brauche den Text so bald wie möglich“) vorzustoßen, bedarf es der Fähigkeit eines erfahrenen Hieroglyphenlesers.

Als ich ihn darauf ansprach, schimpfte mich Freund Michael einen alten, konservativen Sack. „Wahrscheinlich lässt du dir deine Mails von der Sekretärin noch ausdrucken und in der Postmappe vorlegen“, unkte er. Deshalb sei an dieser Stelle ausdrücklich festgestellt: Ich habe keine Sekretärin. Und eine Postmappe habe ich auch nicht. Dafür aber ein Gefühl für die Schönheit der Schriftsprache, und Mails wie seine sind mir deshalb ein Gräuel (oder ein „Greuel“ – laut Duden ist heute beides möglich, auch in einer E-Mail).

Bei Stickern und Emojis löst sich die Schriftsprache vollends auf in ein Gewusel aus kleinen Bildchen von Katzen, Hunden, Fabelwesen oder Herzchen auf. Und bei Emoticons genügen sogar einzelne Satzzeichen – Punkt, Punkt, Komma, Strich – fertig ist die E-Mail.

Nun, laut ECC-Handel bin ich mit meiner Meinung nicht alleine. „Kunden haben auch bei einer E-Mail hohe Erwartungen an die formale und inhaltliche Qualität der Unternehmensantwort und erwarten, das die gleichen Höflichkeits- und Rechtschreiberegeln gelten, wie bei einem traditionellen Brief“, schreiben sie.  Aber das klingt mir schon wieder viel zu sehr nach Oberlehrer. Eine Mail ist kein Brief. Es ist auch kein Telefonat, sondern irgendwas dazwischen – ein neues Kommunikationsmedium, eben, das seine eigenen Regeln erst noch entwickeln muss.

Ich habe so meine eigene These, was eine gute E-Mail ausmacht: Sie muss kurz sein! Was mir einer nicht in den ersten vier Zeilen einer E-Mail mitteilen kann, bekomme ich meistens nicht mehr mit, und ich will es auch gar nicht. Time is money, und man stiehlt mir mit langen, wirren E-Mails meine kostbare Zeit.

Aber vielleicht bin ich in diesem Punkt wirklich zu altmodisch. Meine Tochter schreibt kaum noch Mails, sondern teilt sich über ihre Profilseite auf Facebook ihrem gesammelten Freundeskreis mit. „E-Mail wird nur noch von 70 Prozent der jungen Nachwuchsgeneration genutzt“, schrieb mir neulich Dominik Ruisinger, der als erfolgreicher Buchautor in Berlin lebt.

In sofern geht die oberlehrhafte Erregung des ECC-Handel um schlampige Mails wahrscheinlich am eigentlichen Thema vorbei. Man wird nämlich dereinst vielleicht im Internet eine ganz eigene Sprache sprechen und schreiben. Ganz ohne Punkt und Komma; jedenfalls bis auf diejenigen, die man noch für die so genannten „Smileys“ benötigt: lachende Gesichter aus Interpunktionszeichen. Und mir wird zum Weinen sein.

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