Treppenwitz: Geht ein Start-up zur Bank

Wer will nochmal, wer hat noch nicht?

Wer will nochmal, wer hat noch nicht?

Wenn ein junger Deutscher eine Idee hat, werden ihm bei der Realisierung regelmäßig Knüppel zwischen die Beine geworfen. „Geht ein Start-up-Gründer zur Bank“, lautete in den letzten Jahren der kürzeste Witz in der Finanzbranche. Nur zehn Prozent aller Gründer von Hightech-Unternehmen, die im Rahmen des Startup Monitors 2014 des Bundesverbands Deutscher Startups (DSM) und der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin befragt wurden, nannten Bankkredite als eine ihrer Finanzierungsquellen. Unter denjenigen Hi-Tech Start-ups, die seit weniger als zwölf Monaten bestanden, waren es sogar nur fünf Prozent. Zum Vergleich: Im herkömmlichen Gründungsmarkt greift mehr als ein Viertel aller Gründer auf ein Bankdarlehen zurück.

Deutsche Gründer bezeichnen neben dem schwierigen Zugang zu Kapital vor allem die in Deutschland verbreitete geringe Toleranz gegenüber dem Scheitern als kritisches Hemmnis für die Gründung von Unternehmen. Berlin gilt nicht nur wegen des ewigen Dauerbrenners Flughafen als Hauptstadt des Scheiterns: Hier gehen auch die mit Abstand meisten Start-ups wieder baden. Das liegt aber auch daran, dass es in der Hauptstadt einfach die meisten Gründer gibt. Das Thema „Scheitern“ sei deshalb in Berlin nicht so stark tabuisiert, wie in anderen deutschen Städten, meint Anna Theil, Geschäftsführerin der Crowdfunding-Plattform Startnext.

Viele Gründer umgehen das Problem fehlender Bankkredite, indem sie sich direkt bei den Menschen über Crowdfunding-Plattformen Geld leihen. So stellten beispielsweise tausende private (Klein-) Kapitalgeber rund 110.000 Euro zur Verfügung, um die Idee zweier Gründerinnen in Kreuzberg zu finanzieren, nämlich ein Supermarkt ganz ohne Verpackung! Inzwischen bieten Sara Wolf und Milena Glimbovski in ihrem Laden mehr als 350 Produkte lose oder in Mehrwegbehältern an, von Nudeln in Tüten oder selbst gemahlenem Kaffee bis zu Gewürzen und Süßigkeiten in durchsichtigen Spendern oder sogar „Zahnpasta ohne Tube“ (als Kautabletten – „funktioniert genauso“, meint eine der Gründerinnen).

Und so muss wohl selbst die allgewaltige Finanzbranche auf Dauer befürchten, dass sie und ihr Geschäftsmodell im Zuge der Digitalen Transformation zunehmend marginalisiert werden. „Who needs banks“, titelte das Wirtschaftsmagazin Forbes angesichts der Tatsache, dass ein Viertel aller US-Haushalte inzwischen zumindest teilweise ihre Finanztransaktionen außerhalb des traditionellen Bankensystems abwickeln. So stieg der Umsatz von PayPal von 800 Millionen Dollar im ersten Quartal 2010 auf über 2,1 Milliarden Dollar im vergleichbaren Zeitraum 2015.


Dieser Text stammt aus meinem neuen Buch, „Digitale Transformation„, das im Oktober im Vahlen-Verlag erscheint.

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