Die Streichel-Tarantel darf nicht mehr an Bord

 

„Die spinnen, die Amis“: Wie oft habe ich (selbst Amerikaner) diesen Spruch schon erdulden müssen. Aber es ist wirklich etwas dran. Allerdings scheinen selbst Amerikaner imstande zu sein, den schlimmsten Auswüchsen ihrer Irrationalität ein Ende bereiten zu können. Ich meine damit die in den vergangenen Jahren ausgeuferte Praxis, exotische Tiere mit an Bord von Flugzeugen zu nehmen, weil der Fluggast sie zur „emotionellen Unterstützung“ benötigt.

Damit ist jetzt zum Glück Schluss. Alle großen US-Fluggesellschaften haben angekündigt, in Zukunft nur noch ausgebildete Hunde als Begleitung von Menschen mit körperlichen Behinderungen – meist Blinde – an Bord zu lassen.

Also: Keine Truthähne und Enten mehr auf dem Nebensitz. Der Haus-Pfau muss genauso daheim bleiben wie der Hamster. Und auch die Streichel-Tarantel darf nicht mehr auf der Armlehne Platz nehmen.

Neue Bundesvorschriften, die nächste Woche in Kraft treten, schränken die Definition von Servicetieren erheblich ein. Infolgedessen gelten emotionale Unterstützungstiere nicht mehr als Servicetiere. Fluggesellschaften, die bisher für diese Tiere sorgen mussten, sind nicht mehr dazu verpflichtet, dies zu tun.

Eine Reihe von Fluggesellschaften sahen sich gezwungen, auf eine zunehmende Anzahl von Beschwerden zu reagieren, die von Hunden, die nicht ausreichend auf das Töpfchen gehen, bis hin zu aggressiven Hunden, die angreifen und Verletzungen verursachen, reichen.

Vor ein paar Jahren trug ein weiblicher Flugpassagier ein Hängebauchschwein unter dem Arm an Bord einer US-Airways-Maschine. Das Vieh kotete auf den Gang, und nach lautstarken Protesten von Mitreisenden musste Frauchen mit dem grunzenden Haustier unter Protest wieder aussteigen.

Schlagzeilen machte der Fall der fünfjährigen Gabriella Gonzales, die 2017 im Flughafen von Portland, Oregon, von einem Pitbull angefallen und gebissen wurde, der als seelischer Begleiter bei einem Flug der Alaska Airlines eingebucht war. Die Mutter der kleinen Gabriele verklagte den Hundebesitzer und die Fluggesellschaft auf insgesamt 1,1 Millionen Dollar Schadenersatz

Das US-Verkehrsministerium definiert nun ein Servicetier als einen Hund, der „individuell ausgebildet wurde, um Arbeiten oder Aufgaben zugunsten einer qualifizierten Person mit einer Behinderung, einschließlich einer körperlichen, sensorischen, psychiatrischen, intellektuellen oder anderen geistigen Behinderung, auszuführen.“

Dass dies ein speziell amerikanisches Problem ist, zeigt die Art, wie beispielsweise die Deutsche Lufthansa mit dem Problem umgeht. „Hunde und Katzen mit platter Nase (brachyzephale Tiere) wie Möpse, Bulldoggen und Perserkatzen, können wenn sie unter 8 kg wiegen mit in die Kabine genommen werden. Schwerere dürfen jedoch nicht in den Frachtraum von Passagierflugzeugen, können aber als Cargo von reinen Frachtflugzeugen aufgegeben werden“, heißt es dort in den Beförderungsrichtlinien. Manche europäische Fluggesellschaften erlauben sogar Hamster, Kaninchen und Falken im Passagierraum, allerdings nur in bissfesten Boxen.

Wie man sieht spinnen doch nicht nur die Amis…

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Inmitten von Gemetzel: ein Weihnachsmärchen

Weihnachten ist zwar knapp vorbei (heute enden die Rauhnächte, die wir Angelsachsen als die „Twelve Days of Christmas“ feiern), aber ich bin gerade an ein historisches Ereignis erinnert worden, das mit dem Weihnachtsfest in Verbindung steht und um das sich allerlei Mythen ranken. Ich meine den inoffiziellen Waffenstillstand – der berühmte Weihnachtsfrieden – an der Westfront im Ersten Weltkrieg, als die Soldaten aus ihren Schützengräben krochen, sich gegenseitig was zum Trinken anboten, gemeinsm Weihnachtslieder sagen und sogar Fußball miteinander gespielt haben, bevor sie wieder zurückgingen und anfingen, sich gegenseitig wieder abzuballern.

Das alles war natürlich höchst inoffiziell und rechtswidrig. Viele Offiziere waren damit nicht einverstanden, und die Hauptquartiere auf beiden Seiten ergriffen strenge Maßnahmen, um sicherzustellen, dass dies nie wieder geschehen konnte. Weiterlesen

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Mit den Fingern lesen

Ich wurde neulich auf Quora, wo ich während des Covid-Lockdowns einen Gutteil meiner Zeit mit dem Beantworten teilweise sehr kluger Fragen (und auch ein paar doofe) verbringe darum gebeten zu erklären, wie die Blindenschrift funktioniert. Da ich darüber einmal bei unserem Lungauer Lions-Club einen Vortrag gehalten habe, und so hatte ich eine ziemlich ausführliche Antwort parat.

Wir Lions feiern an ihrem Geburtstag, dem 7. Juni, Helen Keller Day, weil sie 1925 in einer Festrede auf dem Weltkonvent der Lions Clubs diese aufgefordert hat, das Schutzpatronat für alle Blinden zu übernehmen. Daraus ist das Programm Sight First entstanden, eine der größten Aktivitäten der Lions-Bewegung weltweit und eine der wichtigsten internationalen Langzeit-Activitäten zur Bekämpfung von vermeidbarer Blindheit überhaupt. In den letzten 30 Jahren wurden mehr als 30 Millionen Sehbehinderte und Blinde von Lions Sight First unterstützt.

Helen Keller (1880-1968) war die erste Frau in den USA, die den Bachelor of Arts erwarb. Ihre Autobiografie The Story of My Life wurde als The Miracle Worker für Film und Bühne adaptiert. Im Jahr 1980, dem hundertsten Jahrestag ihrer Geburt, wurde sie durch eine präsidiale Proklamation von US-Präsident Jimmy Carter anerkannt und ihr Geburtstag zum nationalen Gedenktag erklärt. Aus diesem Anlass habe ich die folgende Festschrift verfasst.

 

Eine kurze Kulturhistorie der Blindenschrift

Über die Schrift und die Schriftsprache denken wir heute, wenn wir ehrlich sind, nicht sehr oft nach. Es weiß ja auch niemand, wer sie erfunden hat.

Von Sokrates wissen wir allerdings, dass er mit der Schrift, die aus Ägypten kam, auf Kriegsfuß stand. Sie pflanze „das Vergessen in die Seelen der Menschen,“ die nichts mehr auswendig zu lernen müssten. Er soll zu seinem Freund Phaidros gesagt haben: „Denn dieses Schlimme hat doch die Schrift, Phaidros, und ist darin ganz eigentlich der Malerei ähnlich; denn auch diese stellt ihre Ausgeburten hin als lebend, wenn man sie aber etwas fragt, so schweigen sie gar ehrwürdig still.“

So jedenfalls wird es von Platon überliefert, der selber die „tote Schrift“ als bloßes Derivat gegenüber der „lebenden und beseelten“ Rede abtat.

In Wirklichkeit erlaubt uns die Schrift, Wörter und Gedanken im Raum zu festzuhalten, sie aufzunehmen und mit ihnen komplexe Strukturen zu entwickeln. Wenn wir etwas lesen, hören wir das Gelesene in unserem Geiste. Wir können damit die Gedanken anderer in unseren eigenen Köpfen replizieren und weiterdenken. Wenn wir die Schriften eines längst verstorbenen Denkers lesen, laden wir das, was er vorgedacht hat, sozusagen in unser eigenes Gehirn hoch. Wer den Film „Matrix“ kennt, weiß was damit gemeint ist. Wir übertragen die Gedanken von anderen in unsere eigenen Köpfe. Wie geil ist das? Im Grunde grenzt es fast schon ans Gedankenlesen!

Schrift ist aber leider ein visuelles Medium, und da fangen für Blinde und sehbehinderte Menschen die Probleme an. Unsere Bildungssysteme haben über Jahrhunderte hinweg das Lesen in den Mittelpunkt gestellt, was oft zur  Benachteiligung von Menschen ohne ausreichendes Sehvermögen geführt hat. Weiterlesen

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Eine Dosis Marktwirtschaft gegen Corona

Es könnte doch so einfach sein!

Endlich scheint ein Stückchen Vernunft in die haarsträubende Diskussion um die Covidimpfung einzukehren.

Ich bleibe dabei: Für mich ist Impfen erste Bürgerpflicht. Die Freiheit des Einzelnen endet dort, wo durch die Ausübung dieser Freiheit einem anderen ein Schaden entsteht, und einen viel größeren Schaden als durch die Dummheit eines Impfgegners zu sterben ist wohl kaum vorstellbar. Wer sich nicht sofort gegen Covid impfen lässt, handelt antisozial und verdient es, von der Gesellschaft dafür bestraft zu werden.

Leider weiß ich, dass ich zumindest hier im Land der Ranzer und Besserwisser damit nicht durchkommen kann. Und da finde ich die jetzt aufkeimende Diskussion um den Impfpass als Eintrittskarte in – dann wieder geöffnete – Läden, Kultureinrichtungen und Fitnessstudios wohltuend vernünftig und praxisgerecht. In einem Interview mit unserem Lokalblatt, den Salzburger Nachrichten, sagt auch Verfassungsministerin Karoline Edtstadler, dass sie sich gut vorstellen kann, wenn in Zukunft bestimmte Leistungen nur für jene Menschen zur Verfügung stehen, die gegen Corona geimpft sind. Das sei „ein sehr wahrscheinliches Szenario“, so Edtstadler. Fluglinien würden das wohl aufnehmen, „andere werden nachziehen.“

Verfassungsrechtlich sei das unbedenklich, sagt Verfassungsrechtler Heinz Mayer. Größere Freiheiten für Geimpfte seien höchstwahrscheinlich verfassungskonform. Angesichts der Coronapandemie sei hier die erforderliche Verhältnismäßigkeit wohl gegeben, sagt Mayer. Und sein Kollege Bernd-Christian Funk schlägt in die gleiche Kerbe: Wenn etwa ein Kinobetreiber nur Gästen mit Impfpass Einlass gewähre, tue er das in Ausübung seines Hausrechts. „Ich sehe nicht, was daran rechtlich zu beanstanden wäre“, so Funk. Weiterlesen

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Unser vergiftetes Spracherbe

Es ist erstaunlich, wie sehr die deutsche Alltagssprache auch heute noch von der Sprachvergiftung durch den Nationalsozialismus verseucht ist, und wir benützen viele besudelte Wörter und Redewendungen, ganz ohne einen Gedanken daran zu verschwenden, wes Geistes Kind sie einmal waren. Das gilt natürlich in besonderem Maße für die aufkeimende ultrarechte Szene, wo man sich besonders gerne Anleihen aus dem Wörterbuch von Goebbels & Co. nimmt.

Eines der besten Bücher zu diesem Thema hat der Düsseldorfer Germanist Horst Dieter Schlosser 2013 geschrieben. Es heißt Sprache unterm Hakenkreuz und beantwortet auf 384 Seiten ausführlich die Frage, welche menschenverachtende Worthülsen sich noch in unserer Umgangssprache verstecken. Schlosser sagt, dass Diktaturen nicht nur physische Gewalt, sondern auch sprachliche Mittel verwenden, um ihren Machtanspruch zu verfestigen. Man muss nur anschauen (bzw. anhören), welcher Sprache sich Trump gerade bedient, um den demo9kratischen Prozess zu unterwandern und seine Machtansprüche zu verfestigen. „Stop the Steal“, „Bad Things“, „illegal votes“, „stolen election“.

Auch sehr empfehlenswert: Verbrannte Wörter – Wo wir noch reden wie die Nazis und wo nicht vom „Welt“-Redakteur Matthias Heine, erscheinen 2019 im Duden-Verlag. Er zitiert Beispiele wie „Bombenwetter“, „Blut und Boden“, „Rassenhygiene“ oder „Volk“ und „völkisch“ in all ihren Abwandlungen, die zum Stammrepertoire von Goebbels & Co. gezählt haben.

Einige vergiftete Wörter wie „asozial“ oder „entartet“ sind eindeutig, tauchen aber trotzdem gelegentlich in umgangssprachlichen Unterhaltungen oder sogar in Zeitungsartikeln auf – unkommentiert. Weiterlesen

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Trump und das Marienwunder von Washington

Um zu verstehen, was in der Präsidentschaftswahl Amerikas gerade abgeht, muss man sich zuerst einen ganz anderen amerikanischen Kontaktsport genauer anschauen, nämlich American Football. Dort gibt es die segensreiche Einrichtung des „Hail Mary Pass“. Das könnte man zwar als „Ave Maria Pass“ übersetzen, fängt aber damit nicht den unbeschreiblichen Nervenkitzel und den geradezu orgiastischen Gefühlsausbruch ein, den dieser äußerst selten erfolgreich ausgeführte Spielzug mit sich bringt. Er wird dann versucht, wenn die eigne Mannschaft eigentlich schon verloren hat und nur noch wenige Sekunden auf der Spieluhr verbleiben. Der Quarterback geht meist ein paar Schritte zurück, um sich Raum zum Ausholen zu schaffen, schmeißt den Ball dann mit der ganzen Kraft seiner Verzweiflung in Richtung Torauslinie – und fängt an zu beten, dass irgendeiner seiner Mannschaftskameraden gerade dort sein und ihn auffangen wird. Der Ball bleibt in der Regel so lange in der Luft, dass der Quarterback, sollte er ein gläubiger Katholik sein, genügend Zeit hätte, um ein paar schnelle Ave Marias zu beten, bevor das Stadium hoffentlich im einem ekstatischen Beifallsrausch ausbricht. Oder sich alle mit bedröppelter Miene Richtung Ausgang schleichen.

Gestern haben sich 17 Republikanische Staatsanwälte, einer Klage ihres Kollegen aus Texas vor dem Supreme Court, dem obersten Gericht des Landes, angeschlossen. Sie fordern darin, das Wahlergebnis in den vier so genannten „battleground states“ (also den Bundesstaaten, in denen es am 6. November besonders knapp herging zwischen Trump und Biden) komplett zu annullieren. Weiterlesen

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Das Märchen vom schwarzen Eishockeyschläger

Das Amerika, in dem ich als Kind groß wurde, war ein ganz anderes als das Amerika um uns herum. Das lag daran, dass mein Vater Luftwaffenmajor war, und die US Air Force war eine der erste Institutionen in den USA, die sich sehr frühzeitig, nämlich direkt nach dem Zweiten Weltkrieg, daran gemacht hat, Rassismus und Rassentrennung zu überwinden. Das taten die Luftwaffen-Generäle nicht aus der Güte ihres Herzens, sondern aus ganz praktischen Gründen: Da das Wartungspersonal weitgehend aus Schwarzen bestand und die Piloten weiß waren, hätte Streit zwischen den beiden wahrscheinlich zu häufigen Abstürzen geführt, also die Kampftauglichkeit der Flugflotte eingeschränkt.

Ich bin also in einer heilen Welt aufgewachsen, und in meiner Schule und in der Nachbarschaft gab es jede Menge Kinder dunkler Hautfarbe. Wir haben uns alle nichts dabei gedacht. Meine beste Freundin, als wir in San Antonio stationiert waren, war ein niedliches schwarzes Mädchen namens Fruzzy, und wir haben oft im gleichen Bett geschlafen, während unsere Etern draußen im Garten zusammengesessen sind.

Als ich Anfang der 60er nach Deutschland kam, gärte es außerhalb der Luftwaffenstützpunkte bereits kräftig. Wir hatten in Deutschland schon Fernsehen, und dort flimmerten Schwarzweißbilder über die großen Rassenunruhen in den Ghettos von Harlem und Los Angeles schon über den Bildschirm. 1967  gab es in Detroit 43 Todesopfer, 1189 Verletzte und 7000 Verhaftete. Ein Jahr später wurde Martin Luther King ermordet, und Amerika versank in einem Meer aus Blut und Wut.

Ich saß in unserem Wohnzimmer und konnte nicht glauben, was ich dort sah. Das war so gar nicht mein Amerika, und so ähnlich geht es mir heute wieder, wenn ich die Bilder aus Ferguson oder Minneapolis sehe. Denn eigentlich hatte ich gedacht, dass sich das Rassenproblem in den USA irgendwann von selbst lösen würde, und dass es den Schwarzen in meiner Heimat zwar immer noch nicht gut, aber wenigstens ein bisschen besser ginge.

Laut dem populären Narrativ der amerikanischen Geschichte machten schwarze Amerikaner im 20sten Jahrhundert so gut wie keine messbaren Fortschritte auf dem Weg zur Gleichberechtigung mit weißen Amerikanern, bis sich in den frühen 60er Jahren mit der Verabschiedung der Bürgerrechtsgesetze und der Abschaffung der Rassentrennung plötzlich blitzschnell alles änderte. Würde man diese Version der Geschichte zeichnerisch darstellen, dann wäre sie eine lange, flache Linie, gefolgt von einem scharfen, dramatischen Aufschwung ab 1964. Das Ganze würde aussehen wie ein Hockeyschläger.

Jetzt haben der Politikwissenschaftler Robert D. Putnam und der Journalist Shaylyn Romney Garrett ein neues Buch geschrieben, The Upswing: How America Came Together a Century Ago and How We Can Do It Again, das diesem Narrativ grundsätzlich widerspricht. Sie haben Daten aus den letzten 100 Jahren untersucht aus den Bereichen Gesundheit, Bildung, Einkommen, Vermögen und Wahlen und glauben beweisen zu können: Es war alles ganz anders. Weiterlesen

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Mit Quora durch die Krise!

Ich bin ein Quorot! Das war nicht immer so. Richtig gepackt hat es mich erst in den Tagen des Covid, wo ich notgedrungen die meiste Zeit im Home Office verbringe. Das an sich wäre nicht schlimm – ich arbeite seit 1980 im Home Office. Nur bin ich früher auch sehr viel rumgekommen, habe Vorträge gehalten, Veranstaltungen, Messen und Pressekonferenzen besucht oder habe mit meiner Frau zwischendurch kurze Städtetrips gemacht, nach Italien, Frankreich, nach Ungarn, Slowenien, Kroatien oder in die Schweiz, und wir haben zwei- oder dreimal im Jahr unsere Kinder in Irland besucht.

Aber dieses Jahr geht das alles nicht mehr. Heute ist es schon eine Abenteuerreise, wenn wir nach Spittal an der Drau fahren zu Obi oder zum Yummi Yummi, einem chinesischen Street Food Lokal, wo der Sohn breites Kärntnerisch spricht.

Man liest heute viel vom Koller, den Leute bekommen, denen dieses Heimbüro grenzenlos auf den Keks geht. Aber so war das ja auch nicht gemeint mit dem Home Office, nämlich immer daheim rumsitzen. Was ich in meinen Büchern und Vorträgen seit einem Vierteljahrhundert predige ist die Selbstbestimmung, nämlich das Recht, sagen zu können: „Heute bleibe ich daheim und arbeite. Morgen möchte ich aber wieder ins Büro, und übermorgen fliege ich nach Hamburg und arbeite im Flieger oder in der Lounge. In der Schönen Neuen Welt von Arbeiten 4.0 sollten die Menschen ihre Arbeitsumgebung nach Lust, Laune, Neigung und Talent selbst gestalten können.

Stattdessen hocke ich acht Stunden oder mehr vor dem Bildschirm. Am Anfang war das noch ganz toll, denn ich hatte ein Buchprojekt in der Schublade, „Erfolgsfaktor Künstliche Intelligenz“, und ich kam jetzt endlich dazu, es tatsächlich auch zu schreiben. Schreiben ist mein Leben. Ich habe 1969 als kleiner Volontär bei unserer Lokalzeitung angefangen, und seit 50 Jahren vergeht kein Tag, an dem ich nicht irgendwelche Gedanken niederschreibe. 1995 begann ich diesen Blog hier, und das war so, als ob ich auf einmal meine eigene Zeitung. Ich schrieb und schrieb. Ungefähr 1.200 Posts sind im Laufe der Zeit entstanden, über alles von der Digitalen Transformation bis zur Frage, ob Männer im Stehen pinkeln sollen.

Und dann kam Quora! Weiterlesen

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Wie der Kaiser auf die Insel kam

Ich habe mich oft gefragt, warum der letzte Kaiser von Österreich, Karl I. eigentlich in Funchal beerdigt wurde und nicht in der Kapuzinergruft, wie es sich gehört. Als ich jetzt über eine ähnliche Frage auf Quora gestolpert bin, habe ich ein bisschen recherchiert, und es ist wirklich eine spannende Geschichte dabei herausgekommen.

Nachdem Karl I. am 24. März 1919 mit dem sogenannten „Feldkircher Manifest“ seinen am 11. November 1918 in der Schönbrunner „Abdankungsproklamation“ erklärten Thronverzicht widerrufen hatte, wurde ihm, seiner Frau Zita und sämtlichen Nachkommen am 3. April 1919 mit dem Gesetz „betreffend die Landesverweisung und die Übernahme des Vermögens des Hauses Habsburg-Lothringen (StGBl. Nr. 209/1919, auch als „Habsburgergesetz“ bekannt) endgültig die Rückkehr in das österreichische Staatsgebiet untersagt, sofern sie sich nicht vorher ausdrücklich zur Repubik bekennen würden. Weiterlesen

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„Ein Mensch isst gerne Kuttelfleck“ oder: chacun à son goût!

Nicht jedem hat mein Post über Smalahove (siehe nächsten Beitrag) gefallen, den gepökelten und geräucherten Schafskopf, der in Norwegen eine Art Nationalgericht ist und für Fremde eine kulinarische Mutprobe. Bernhard Jodeleit zum Beispiel fand es „ekelhaft, was du hier veröffentlichst. Köpfe von toten Tieren, anderweitige Provokationen.“

Wikipedia bezeichnet einen Nahrungstabu als „das Phänomen, dass bestimmte Tiere, Pflanzen oder Pilze, die prinzipiell essbar sind, von einer bestimmbaren sozialen Gruppe oder in einem Kulturraum mit einem Tabu belegt und daher nicht verzehrt werden. Es gibt kein Nahrungstabu, das universelle Gültigkeit besitzt.“

Die Norweger kennen keine solchen Tabus. Und sie sind beileibe nicht die einzigen, die gerne Tierköpfe essen. Als Schweinekopf (auch Schweinskopf) bezeichnet man den bearbeiteten Kopf des Hausschweins, bei dem Hirn, Augen, Zunge und Schlund entfernt sind. Früher wurde er häufig gebraten als Schaustück bei kalten Buffets verwendet oder gekocht und entbeint mit Meerrettich serviert. Heute ist er in Deutschland im Ganzen bzw. unverarbeitet nur noch selten im Handel erhältlich.

Überhaupt kam früher viel mehr in die Küche – Herz, Lunge, Milz, Leber, Nieren, Magen (Kutteln, Kaldauen, Fleck), aber auch Zwerchfell (Saumfleisch), Maulfleisch, Zunge oder Schwanz. Nehmen wir das Rind: Es besteht aus über 30 essbaren Fleischteilen. Aber die wenigsten davon werden zum Verkauf angeboten. Weil sie nicht nachgefragt werden. Oder sogar Ekel auslösen. Weiterlesen

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